Deutschland Teil 2
Tag 4 Donnerstag, den 8. Mai 2008 Museum unter blauem Himmel
Heute morgen scheint wohl alles zu funktionieren - das Wasser aus dem Duschkopf ist warm, der Tee steht auf dem Tisch, der Himmel ist blau - was will ein Schwalbenflieger mehr? Vielleicht ein schönes und interessantes Tourenziel, oder derer mehrere.
Schöne Straßen durch den Thüringer Wald
Aber zuerst hat der Straßenbauergott mir, bzw. der Schwalbe, einige heftige Anstiege in den Weg gelegt. 15 % schafft Schwalbe im 2. Gang, danach wird es aber haarig, zurück in den ersten Gang. Meine obligatorische Pause nach 50 Kilometer spare ich mir, denn mein erstes Ziel ist schon in Schlagdistanz. Nach 69 Kilometer bin ich an der Klosterruine Paulinzella. Das Kloster wurde 1102 von der sächsischen Adeligen Paulina gegründet, aber erst 1124 ist die Klosterkirche geweiht worden. Mit der Reformation ist das Kloster 1534 aufgehoben worden. Das Kloster verfiel zusehends. Erst nach 1800 begann man mit den Sicherungs- und Restaurierungsarbeiten. Die Ruine ist durch ihre Lage direkt am Wald wirklich beeindruckend, was aber nicht nur mir auffällt, sondern schon meine Vorgänger, die hier verweilten. Johann Wolfgang von Goethe und Friedrich Schiller waren angetan von den malerischen Resten des Klosters.
Kloster Paulinzella
Eine der Grotten in der Unterwelt
Im Jahre 1530 begann im Bergwerk Jeremias Glück der Abbau von Alaunschiefer. Alaun wurde unter andrem zum Gerben von Leder benötigt. Die beginnende Industrialisierung brachte den Abbau um 1850 zu Erliegen. 1910 wurde der Stollen des fast vergessenen Bergwerkes wieder entdeckt. Am 22. Dezember 1913 entdeckte man dann auch die dritte Sohle mit dem Märchendom und dem darin befindlichen Tropfstein. Das mineralhaltige Tropf- und Quellwasser hatten in den verlassenen Abbauräumen in weniger als 300 Jahren eine faszinierende Tropfsteinwelt geschaffen. Auch hier hatte ich einen berühmten Vorgänger, der die Feengrotte vor mit besucht hat. In den 1920er Jahren war der Sohn Richard Wagners, Siegfried Wagner, hier. Er war vom Motiv der Gralsburg derart fasziniert, das er sie als Bühnenbildvorlage zu einem Szenenbild im Tannhäuser aufnahm. Mit Musik – klar - von Wagner, und Lichteffekten wird uns der Märchendom, in der sich die Tropfsteinformation „Gralsburg“ befindet, präsentiert.
Märchendom in der Feengrotte
Nach 50 Minuten untertage endet die Führung im Brunnentempel, wo ich das aus dem Berg kommende Heilwasser kostenlos probieren könnte. Da ich mich nicht krank fühle, und das Wasser einen eher merkwürdigen Geruch hat, verzichte ich auf eine Verkostung. Lieber trinke ich meine, wenn auch mittlerweile, warme Cola aus dem Topcase. Dazu ein Bifi und ein Apfel, und schon ist das Mittagessen komplett. Gut gestärkt roller ich weiter. In Rudolstadt, die Stadt der Anker-Bausteine gibt mir das Straßenbauamt zum ersten Mal Probleme mit der Streckenführung auf. Bei Bundesstraßen besteht immer die Gefahr, das diese „Kraftfahrstraßen“ sind, die ich mit meinem Versicherungskennzeichen nicht befahren darf. In der STVO steht, das diese Straßen nur von Fahrzeugen, die laut Zulassung schneller als 60 Km/h sind, befahren werden dürfen. Schwalbe hat 60 in den Papieren stehen, also verboten. Vor so einem Schild stehe ich jetzt, das heißt, ich biege gerade vor diesem Schild in eine Richtung ab, in der ich überhaupt nicht will. Es geht einen Kilometer an der Saale entlang um dann wieder die B 85 zu treffen die ich erst vor kurzem verlassen musste. Ich kann mir nicht erklären, warum wir für den einen Kilometer von der Bundesstraße runter mussten. Aber egal, ich habe meine ursprüngliche Route wiedergefunden. Ich folge dieser Bundesstraße, die auch als Bier- und Burgenstraße ausgeschildert ist, bis Blankenheim/Thüringen, um dann noch zwanzig Kilometer über Land- und Kreisstraßen zum Freilichtmuseum Hohenfelden zu fahren.
Haus “Hoyer”im Freilichtmuseum Hohenfelden
Das Freilichtmuseum, mit seinen 30 Gebäuden, wurde 1976 gegründet, und hat es sich zur Aufgabe gemacht, ländliche Bauten mit historischem Wert nach Hohenfelden umzusetzen und zu erhalten. Im Gelände des Museums stehen Bauernhöfe, Werkstätten, Bienenhäuser und eine Einklassenschule. Prunkstück - meiner Ansicht nach - ist das Haus Hoyer aus Gügleben, das auch weitaus am besten beschrieben wird. In einem Raum höre ich ein lautes Geflatter, das ich mir nicht erklären kann. Die Lösung ist ein Vögelchen, eine Meise oder ein Spatz, so genau kenne ich mich in Ornithologie nicht aus, der versucht, durch die geschlossenen Fenster ins Freie zu gelangen. Es dauert etwas, bis ich ihn in den Händen halte und durch die Türe, wo er wohl auch hinein gekommen ist, wieder ans Tageslicht befördere. Ich bin froh, das dieses Museum nicht die Ausmaße von Kommern in der Eifel hat, denn bei der Wärme mit der Motorradjacke herumzulaufen, ist schon recht schweißtreibend.
Die Links
Klosterruine Paulinzella
Freilichtmuseum Hohenfelden
Die Karte
5. Tag Freitag, den 9. Mai 2008 In den Simsonwerken
Heute ist mein letzter Tag in Suhl und Thüringen. Bis jetzt war die Reise wunderbar. Das Wetter ist 1a und Schwalbe macht auch keine Mucken, erklimmt die Berge ohne murren, springt immer tadellos an. Wie auch heute morgen wieder. Ich fahre nach Hildburg-Hausen, dort soll es ein Milch- und Reklamemuseum geben. Nichts besonderes, aber ich wollte auch mal was anderes ansehen, als immer nur Bergwerke und Höhlen. Allerdings ist mir der direkte Weg nach Hildburg-Hausen versperrt. Wegen einer Baustelle kann man ab Erlau die Straße nicht mehr benutzen. Die ausgeschilderte Umleitung führt über die Autobahn. Klasse. Ich versuche es einfach mal und fahre bis Erlau, muss aber einsehen, das ein zwei Meter tiefes Loch anstatt einer Straße auch für eine Schwalbe ein nicht zu überwindendes Hindernis darstellt.
Der Rennsteigwanderweg und Thüringen sind eng miteinander verbunden
Ich fahre dann über den Rückweg meiner geplanten Tour nach Hildburg-Hausen. Das Museum entpuppt sich als Cafe, und die Innenstadt auch nicht so besonders. Ein kleiner Marktplatz, ein paar Geschäfte, das ist es so im ganzen. Also fasse ich den Entschluss, nach dem Besuch des Simsonmuseums in Suhl, meine versäumte Besichtigung in Schmalkalden nachzuholen. Schwalbe steht noch angebunden auf ihren Platz vor einem chinesischem Imbiss, deren drei Mitarbeiter interessiert zuschauen, wie ich mich fertig mache. Habe ich Schwälbchen vorhin noch so gelobt, springt sie jetzt nach dem ersten Kick nicht an, und das, obwohl der Motor noch warm sein muss. Kick, Kick, Kick. Mit oder ohne Gas. Der Motor will seine Arbeit nicht aufnehmen. Die Chinesen schauen noch interessierter, und ich meine, ein leichtes Schmunzeln um die Mundwinkel sehen zu können. Ich überlege: was braucht es um das Kölbchen in Gang zu bekommen? Einen Zündfunken, und natürlich Benzin. Benzin ist im Tank, und der Benzinhahn ist geöffnet. Ein Blick auf dem Tacho verrät mir, das ich über 200 Kilometer seit dem letzten Tank füllen unterwegs bin, was eigentlich zur Folge hätte, das ich den Benzinhahn schon auf Reserve gestellt haben müsste. Habe ich aber bis zum Parkplatz noch nicht nötig gehabt. Den Hahn auf Reserve gestellt, zehn Sekunden gewartet. Beim zweiten Kick nimmt der Simson Motor M 541 seine Tätigkeit auf. Ich muss wohl mit dem letzten Tropfen Benzin im Vergaser hier den Motor abgestellt haben, zu wenig, um den Motor wieder zu starten. Mit einem Gruß zu den drei Chinesen, die freundlich lächelnd zurück grüßen, setze ich meine Fahrt fort. Wieder den gleichen Weg, den ich gekommen bin, meinem eigentlichen Rückweg. Mitten im Wald, an einem Rastplatz, lege ich eine Pause ein, um mir ein „Mittagsmahl“ zu gönnen.
Nicht zu übersehen. Der Eingang am Congress Center mit dem Zweiradmuseum Suhl
Danach geht es in die Innenstadt von Suhl, wo sich im Congress Center das Simson Museum befindet. Eigentlich heißt es „Fahrzeugmuseum Suhl“, weil sich dort nicht nur Simson-Fahrzeuge befinden, sondern auch Mopeds und Motorräder anderer Marken. Ein schönes Museum mit vielen Mopeds, auch seltene Marken wie Wanderer und Miele. Natürlich auch Produktionen aus der DDR wie Simson, EMW und MZ. Interessant ist auch ein kleines Kino, in dem ein Film über die Six Days von 1987 in Polen läuft. Ich schaue mir den gesamten Film an, in der MZ und Simson als ein Team mit 125 cm³ Maschinen antreten und gewinnen.
Simson S 100. Prototyp einer 2-Zylinder
Nach dem Museumsbesuch möchte ich noch weiter in die Vergangenheit von Simson eindringen. Das Werk wurde am 28. Juni 2002 geschlossen, aber die Gebäude, die heute als Gewerbepark genutzt werden, stehen zum Teil noch. Mich empfangen die typischen Backsteinbauten solcher Industrieareale. Zum Teil abgerissen, zum Teil aber auch restauriert und wieder benutzt. Mir gefallen solche Fabrikgelände.
Hat vor 28 Jahren hinter diesen Mauern meine Schwalbe das Licht der Welt entdeckt?
Noch älter sind die Gebäude in Schmalkalden, das ich nach dreißig Kilometer Fahrt erreiche. Zur Belohnung gönne ich mir ein leckeres Eis aus der Eisdiele auf dem Marktplatz. In der Innenstadt sind 90% der Fachwerkhäuser aus dem späten Mittelalter.
Schmalkalden. Mittelalterliche Innenstadt
Marktplatz von Schmalkladen
Nach einem Rundgang roller ich wieder nach Suhl zu meinem Gasthof, um mich für die morgige Etappe zum Erzgebirge, nach Annaberg-Buchholz, vorzubereiten. Das heißt Duschen, Packen, GPS vorbereiten und unten in der Gaststube etwas Leckeres essen, und ein Weizenbier genießen. Wieder werde ich von den Einheimischen durch ein Klopfen auf den Tisch begrüßt. Einzig eine Frau am Nebentisch geht mir auf den Geist. Sie muss lautstark einem Mann neben sich erklären, welche Krankheiten sie hatte, oder aktuell hat. Selbst ihrem Gesprächspartner, der eigentlich kein Wort sagt, geht das wohl auf dem Geist, denn irgendwann verabschiedet er sich von ihr. Mangels Gesprächspartner zahlt auch sie ihre Zeche und macht sich von dannen. Endlich kann ich in Ruhe meinen Roman weiter lesen, ohne immer wieder abgelenkt zu werden.
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