Deutschland Teil 4
10. - 15. Tag 14. - 19. Mai 2008 In Dresden
Gottfried Semper mit Frauenkirche
Semperoper
In dieser Woche bleibt Schwalbe ziemlich ungenutzt, außer für ein paar Aufnahmen in der Altstadt wird sie nicht bewegt. Da wir schon zum dritten Mal in Dresden sind, können wir unser Besuchsprogramm schön einrichten. Wir brauchen uns nicht an der langen Schlange vor der Frauenkirche anzustellen, da wir schon vor zwei Jahren drinnen waren. Bei irgendeiner Gelegenheit kommen wir am Kircheneingang vorbei, an dem aber niemand wartet, um herein zu gehen, und nehmen die Gelegenheit war, uns den Innenraum noch mal anzusehen. Dieses Mal möchte ich mir die Oper auch von innen ansehen. Dort schlägt aber der Schlangestehenteufel erbarmungslos zu. Durch geschicktes Vorpfuschen gelingt es mir, mit in die nächste Gruppe zu gelangen. Allerdings geht mir Inge dabei verloren. Sie übertreibt es ein wenig mit dem Vordrängeln und gerät in die englischsprachige Gruppe, allerdings hat sie kein Geld mit. Während sie wieder hinaus geht, um mich zu suchen, gehe ich in das Opernhaus hinein. Eine Stunde muss sie auf mich warten. Während dieser Woche können wir auch zum erstenmal ins Fasanenschlösschen, das wir in den Jahren zuvor zwar auch immer besucht haben, aber die Restaurierungsarbeiten waren damals noch nicht abgeschlossen. Heute kann man in kleinen Gruppen das Sommerschlösschen von Kurfürst Friedrich August III besuchen. Ich habe zuvor angerufen, um uns einen Termin bestätigen zu lassen. Je Führung sind nur zehn Personen zugelassen, und Fotografieren ist auch verboten. Die Räume sind aber alle hervorragend wiederhergestellt. Manche Teilstücke von Wänden hat man aber, um einen Eindruck von der Restaurierungsarbeit zu geben, im Original belassen. In Meißen, das wir in diesem Jahr natürlich auch besuchen, gehen wir, auch zum ersten Mal,in die Albrechtsburg. Im Innern sind wunderschöne Wandmalereien zu sehen, die Ereignisse aus der Geschichte Sachsen, der Wettiner und der Albrechtsburg, abbilden Leider vergeht die Woche so schnell wie im Flug. Am Montagnachmittag mache ich mich fertig für die morgige Fahrt zum Spreewald. Inge hat mir frische Wäsche mitgebracht, die jetzt wieder verpackt wird. Neues 2-Takt-Öl kommt in die Koffer, und das GPS wird mit neuen Daten gefüttert
Der Fürstenzug
Die Links
Dresden
Tag 16 Dienstag, den 20. Mai 2008 Unterkunft in der Hütte
Nach dem Frühstück heißt es Abschied nehmen - Inge fährt nach Mönchengladbach zurück - ich fahre weiter zum Spreewald, und Dresden bleibt da, wo es ist. Aber bevor sich unsere Wege trennen, fahren wir zum Blauen Wunder, wo ich noch ein Photo machen möchte. Gestern Abend waren wir nämlich in einem Biergarten unterhalb der Brücke eine Kleinigkeit essen, dabei ist mir aufgefallen, wie nahe man an Brücke und Elbe rankommt. Denn von der Straße sind keine vernünftigen Motive mit der Schwalbe zu verwirklichen. Inge bleibt mit Auto oben auf dem Parkplatz und ich fahre den Weg hinunter zum Ufer. Dort sehe ich, noch rechtzeitig, jede Menge Glassplitter. Zum Glück kann ich noch ausweichen. Nach den Photos geht es aber wirklich los. Die Schwalbe fliegt wieder. Die Pause von einer Woche merke ich aber jetzt doch, mein Hintern macht sich schon früh bemerkbar; warte mit der die erste Pause aber bis zum Erreichen der fünfzig Kilometermarke. Mir ist, trotz Sonne, die des öfteren durch die Wolken blinzelt, kalt. Auch die Jacke, die ich noch unterziehe, kann da nicht mehr viel dran ändern. Nach weiteren fünfzig Kilometern mache ich die nächste Pause, die etwas länger ausfällt. Ich gönne mit einen kleinen Imbiss und mache eine Photo von einem Schwan, der sofort denkt, es fällt auch was für ihn ab. Aber Salami ist wohl nichts für einen Schwan, er muss sich selber was zu fressen suchen.
Irgendwo auf den kleinen Straßen, die mich näher an Lübbenau, meinem heutigem Etappenziel, bringen, biege ich falsch ab. Nach wenigen Metern fällt mir der Irrtum auf, und ich wende Schwalbe wieder. Beim Drehen komme ich nur ganz knapp an einem abgeschnittenen, dicken Ast einer Buschrose vorbei. Die Dornen sind mehrere Zentimeter lang. Wenn ich da drüber gefahren wäre, hätte die Rose meinen Reifen perforiert. Ich habe zwar einen Ersatzschlauch mit, aber beim besten Willen keine Lust, mitten auf der Straße eine Reifenpanne zu beheben. Aber ich habe Glück und kann die letzten Kilometer zu meiner gebuchten Pension zurücklegen. Nach 120 Kilometer stehe ich vor der Pension, die ich erst nach längerem Suchen im Internet gefunden habe. Mein Wunschgasthof war leider schon ausgebucht, und auch einige andere Gasthöfe und Pensionen hatten keine Zimmer frei. Übermorgen ist ein Feiertag, und viele verlängern ihr Wochenende. Bei der Buchung in der Pension „Am alten Bauernhafen“ sagte mir die Wirtin, das ich während meiner Zeit das Zimmer wechseln muss, wenn ich hier übernachten möchte. Da ich nicht viel Gepäck habe, ist das kein Problem für mich. Der „Alte Bauernhafen“ liegt an einem Fließ, und die Wirtsleute verleihen auch Boote, was mir die Rennerei nach einem Bootsverleiher im Ort erspart. Da kann ich schon mal das Zimmer wechseln. Ich gehe auf dem Hof und klopfe an einer Türe. „Kann ich was für sie tun“ fragt mich die Wirtin, die aus dem zurückliegenden Wohnhaus kommt. „Mein Name ist Mohr, und Sie haben ein Zimmer für mich“. „Nein, ich erwarte heute nur noch zwei Paare, haben sie denn gebucht?“ Ich erkläre ihr, das ich mit einer Dame telefoniert habe, ob sie das gewesen sei, weiß ich nicht. Auch die Sache mit dem Umzug erzähle ich ihr, in der Hoffnung, das dann der Groschen fällt. Im Augenblick kann sie sich aber nicht daran erinnern. Auch das ich nach dem Anruf eine Mail geschrieben habe, sage ich ihr. Sie würde immer eine Buchungsbestätigung schicken, die ich natürlich nicht erhalten habe. Woher soll ich auch wissen, das es so gehandhabt wird? „Vielleicht kennen Sie ja noch irgendwo eine Pension, wo ich bis Freitag übernachten kann“? „Moment mal, ich habe da noch was. Eine Hütte im Garten. Sie können sich die ja mal ansehen. Wir haben die mal für den Fall aufgestellt, das wir überbucht haben, was mir in zwölf Jahren heute zum zweiten Mal passiert ist“. Bei dem Wort Hütte werde ich sofort hellhörig, und Erinnerungen an Südtirol kommen auf, wo ich ja auch in einer Hütte übernachtete. Wir gehen durch den langen Garten zu einer Hütte mit Bett, Küche und Badezimmer. Sie entschuldigt sich für die Kartons mit Gurkengläser, die auf dem Boden stehen, ihr Mann aber abholen würde. Mir gefällt es hier sofort, und wir werden uns einig. „Wenn mein Mann von der Kahnfahrt wiederkommt, kann er auch noch den Fernseher anschließen“, was mir aber nicht so wichtig ist. Da sie den Warmwasserboiler gerade angestellt hat, beschränke ich mich auf eine kurze Katzenwäsche, und gehe zu Fuß in den alten Ortskern von Lübbenau, auch um ein Restaurant für heute Abend ausfindig zu machen.
Das Spreewaldmuseum in Lübbenau
Das Wasser wird wahrscheinlich noch einige Zeit brauchen, bis es angenehme Duschtemperaturen hat, so besuche ich noch das Spreewaldmuseum. Danach trolle ich mich wieder zu meiner Hütte, werde schon am Eingang des Geländes von Frau Kusche abgefangen, ob ich in der Hütte noch einen Schlüssel gefunden habe, „sonst hätte mein Mann die Gurken schon abgeholt“. „Ich habe keinen Schlüssel gefunden, habe aber auch nicht darauf geachtet“. Wenige Minuten später kommt ihr Mann mit einer Schubkarre, und wir laden gemeinsam die Gurken auf. „Aber einen Schlüssel habe ich nicht gefunden“. „Können Sie auch nicht, den habe ich nämlich irgendwo hingelegt, weiß aber nicht mehr wo“. Nachdem er die Gurken weggebracht hat, kommt er noch mit einem Fernseher, den wir gemeinsam an der Sat-Receiver anschließen. Frisch geduscht gehe ich noch mal in die Altstadt, um meinen Magen zu füllen.
Der Link
Tag 17 Mittwoch, den 21. Mai 2008 Ich gehe aufs Wasser
Die Hütte ist klasse, sie liegt ruhig, direkt am Flies, und die Fenster sind mit Insektenschutz versehen, damit ich einen unbeschwerten mückenlosen Schlaf genießen kann. Das Frühstücksbuffet, das vorne im Haus eingenommen wird, ist sehr reichlich. Es gibt sogar verschiedene Sorten Leberwurst. Auch die bekannten Spreewälder Gurken stehen dort in verschiedenen Variationen. Da kann wirklich niemand meckern. Nach dem Frühstück frage ich Herr Kusche, ob ich heute ein Boot haben könnte. „Kein Problem, ich lege es schon mal ins Wasser, dann können Sie sofort loslegen.“ „Kann ich die Kamske“, so heißt das Flies neben meiner Hütte, „in südliche Richtung fahren, um in den Südumfluter zu gelangen“. Das wäre nämlich eine große Abkürzung für die Tour, die ich mir auf der Karte schon angesehen habe. „Nein, dann müssten Sie das Boot aus dem Wasser holen, und das sind einige hundert Meter, fahren Sie lieber entgegengesetzt, dann in den Stadtgraben, das ist einfacher“. Einfacher ja, aber auch um einiges weiter. Aber egal, der Weg ist das Ziel. Auf einer Karte, die mir der Pensionswirt anbietet, kann ich dankend verzichten. Ich habe mir schon vorab eine schicken lassen, um einen Überblick über das Kanalsystem zu bekommen. Außerdem habe ich im Internet einige GPS-Tracks gefunden. Mit Hilfe von Google Earth sind auch noch einige Wegpunkte ins GPS gewandert. Die kleine Kamera ist wasserdicht in eine spezielle Kunststoffhülle verpackt, und im Stoffbeutel ist ein wenig Proviant für unterwegs. So gerüstet kann meine erste Kanutour losgehen.
Na, klappt das Paddeln bei Dir denn?
Das Boot, ein Zweier-Kanu, liegt an einem kleinen Steinanlieger. Das Paddel quer über dem Boot und auf den Steinen, damit es sich nicht selbstständig machen kann. Mal sehen, ob ich trocken, ohne zu kentern, ins Boot komme. Paddel ins Boot, damit sie nicht nachher in der Kamske schwimmen, und ich mit den Händen paddeln muss, die Leine festhalten, und vorsichtig einen Fuß auf den wackeligen Boden. Aber es geht. Ohne großartig nass zu werden, sitze ich im Boot, schalte das GPS an, und paddle langsam los. Alles ein wenig ungewohnt, aber ich fahre relativ gerade das Fließ entlang. Die meisten Grundstücke haben Einstiegsstellen für Boote, die entweder eingezäunt sind oder von Hunden in allen Größen lautstark bewacht werden. Besonders erschrecke ich mich vor einem Schäferhund, der völlig unerwartet aus dem Gebüsch kommt und kläffend am Ufer steht. Außerdem bin ich recht nah an seiner Uferseite. An der ersten Kreuzung biege ich rechts ab, wie ich es noch aus der Karte weiß. Einige hundert Meter weiter kommt die nächste Kreuzung, an der ich aber nach hinten greife, um meine Tasche mit der Karte hervorzukramen. Die Tasche ist wohl da, aber keine Karte darin. Kursänderung um 180°, denn ohne Karte kann man im Spreewald keine Kanutour machen, dazu ist das Kanalnetz zu verzweigt. Herr Kusche staunt nicht schlecht, als ich wieder am Anlieger festmache. „Schon wieder zurück“? „Das war nur ein Probepaddeln, jetzt fange ich richtig an, und nehme auch die Karte mit, die in der Hütte liegt“, sage ich mit einem Lächeln. „Ja, ohne Karte geht das nicht, dann muss man sich schon gut auskennen um klar zu kommen“. Ich fahre nun zum dritten Mal an dem Schäferhund vorbei, eigentlich müsste er mich doch so langsam kennen, aber trotzdem regt er sich schon wieder über mich auf. Habe jetzt aber mehr Abstand zu Ufer. An der Kreuzung, wo ich vorhin umdrehte, nehme ich jetzt die Karte, um mich weiter zu orientieren. Immerhin sind so aus einem Kilometer deren drei geworden. Ich fahre in die Spree, mache aber einen Bogen um den Lübbenauer Kahnhafen, der für Privatboote gesperrt ist, und komme zu meiner ersten Schleuse. Die „Schneidemühle“, wie die Schleuse heißt, wird aber zu meinem Glück bewirtschaftet, und ich brauche mich nur festzuhalten, bis sich der Wasserstand angepasst hat. Weiter geht die für mich völlig ungewohnte Fortbewegungsart.
So ganz überzeugt bin ich von dieser Art der Fortbewegung nicht
Meine erste Schleuse
Eigentlich hatte ich vor, das Freilandmuseum in Lehde anzufahren. Aber dort liegen viele Boote und stehen noch mehr Fahrräder, so das ich auf einen Besuch des Freilichtmuseums verzichte. Lieber fahre ich weiter in die Tiefe des Spreewaldes. Das GPS zeigt mir an, das die zweite Schleuse nicht mehr weit weg ist. Da ich hier mitten im Nirgendwo, quasi Natur pur, bin, kann ich mir nicht vorstellen, das die bewirtschaftet wird. Ist sie auch nicht, aber ich habe Glück. Ein Pärchen hat die Schleuse gerade passiert, und der Mann ist noch nicht zurück im Boot, er winkt mir schon aus der Ferne zu: ich soll in die Schleuse hineinfahren. „Alleine ist das ja großer Aufwand, da kann ich Dir eben helfen“. „Besten Dank dafür, und noch einen schönen Tag“, verabschiede ich mich von den beiden, nachdem ich durch die Schleuse bin. Wieder wurde ich verschont, die Schleuse alleine zu bedienen. Der Arbeitsablauf sähe folgendermaßen aus: Anlegen, aus dem Boot aussteigen, und festmachen. Den Wasserspiegel mittels Hebel, die einen Schieber betätigen, auf das Bootniveau angleichen. Das Tor öffnen. Einsteigen - in die Schleusenkammer fahren. Aussteigen, Boot locker festmachen. Schleusentor schließen, Wasserstand auf das Ausfahrniveau angleichen, Tor öffnen. Wieder ins Boot, aus der Schleusekammer ausfahren. Aussteigen, Boot festmachen. Schleusentor schließen. Einsteigen, weiterfahren.
Anstatt den ganzen Zinnober zu bewerkstelligen, kann ich lieber eine gemütliche Snackpause einlegen. Jetzt werden die Mücken aktiv. Während des Paddelns bleibe ich verschont von ihnen, aber während der Pause wollen sie ihren Hunger stillen. Eine schafft es, ihren Hunger an meinem Nacken zu stillen. Ich fahre schnell weiter. An einer Kreuzung muss ich mich entscheiden: nehme ich die rote Route von 20 Kilometer, oder kürze ich über die gelbe Route, die drei Kilometer kürzer ist, ab? Ich spüre von der, für mich ungewohnten, Bewegung einen Schmerz in den Oberarmen, den man wohl Muskelkater nennt. Allerdings wusste ich bis heute nicht, das an dieser Stelle überhaupt Muskeln sind. Also, lange Rede kurzer Sinn, ich nehme die gelbe Route.
Viel Grün und Wasser im Spreewald
Einige Kilometer weiter wartet die nächste Schleuse auf mich. Wieder habe ich das Glück auf meiner Seite. Kurz zuvor hat mich ein junges Pärchen in einem Zweier überholt. Er steht noch auf der Schleuse und wartet, bis ich das Schleusentor erreicht habe. Somit habe ich auch die letzte Schleuse ohne Bewirtschaftung, die ich heute passiere, ganz einfach hinter mir gebracht. Meine Arme schmerzen immer mehr. Ich habe schon die Technik, wie ich die Paddel bewege, geändert, damit mal ein paar andere Muskeln belastet werden. Wenn mich ein ambitionierter Paddler sehen würde, ich glaube, der schlägt die Hände über seinen Kopf zusammen. Aber egal, ich komme vorwärts. Kurz vor meinem Ziel, dem „Alten Bauerhafen“, laufe ich auf ein Pärchen auf, die den gleichen Bootstyp haben wie ich. Sie haben das Paddel geteilt, und sind eher im Kanadierstil unterwegs. Allerdings klappt das Zusammenspiel nicht so ganz. Sie fahren kreuz und quer durch das Fließ. Von links nach rechts, dann wieder nach links, oder noch rechter mit Anstoßen ans Ufer. „Überholen sie uns ruhig“, sagt er, während er das Boot am Ufer festhält. „Danke, aber ich glaube, wir haben das gleiche Ziel“. „Ja, das stimmt wohl, Sie sind doch viel schneller wie wir“. „Das sagen Sie so. Mir fallen aber schon die Arme runter, und war froh, so ein bisschen lau vor mich hin zu paddeln“. Mit diesen Worten überhole ich die zwei, mit meiner letzten Kraft, die ich aus den geschundenen Oberarmen raus holen kann. Immerhin schaffe ich es noch, am Aussteiger vom Bauernhafen, das Boot an Land zu ziehen
GPS zeigt mir nicht nur auf der Schwalbe den Weg
Am Abend gehe ich wieder in das Restaurant, wo ich auch gestern war. Der Muskelkater ist jetzt schon so stark, das ich kaum den Stuhl zurecht rücken und nur mit Anstrengung die Speisekarte halten kann. Wie gestern bestelle ich mir als erstes ein Weizenbier. Dann zum Essen - heute ein Rinderfilet mit Waldpilzen - einen trockenen Rotwein. Das alles ist sehr bekömmlich. Zum Abschluss dann einen Obstschnaps. Auf dem Heimweg zu meiner Hütte fällt mir bei einem Herrenausstatter ein Hemd auf, das mir sehr gut gefällt. Da ich heute etwas später als gewöhnlich dran bin, ist der Laden schon geschlossen, aber morgen werde ich mal sehen, ob das Hemd in meiner Größe zu bekommen ist.
Die Karte
Der Link
18. Tag Donnerstag, den 22. Mai 2008 Die Kette, das schwächste Glied
Der Muskelkater in den Oberarmen läuft heute morgen zu Höchstform auf, und somit war das vorläufig die letzte Paddeltour, die ich gemacht habe. Schwalbe kann wieder zeigen, was sie drauf hat. Aber eigentlich möchte ich es heute wieder ruhig angehen lassen. Nach dem Frühstück bin ich unterwegs zur Abräumförderbrücke F 60, die, nur vierzig Kilometer entfernt, bei Lichterfeld steht. Dort war das Braunkohle Abbaugebiet „Klettwitz-Nord“, das 1992 stillgelegt wurde. Das Gebiet wird im Augenblick noch renaturiert, nur die Förderbrücke ist als technisches Museum vom Braunkohlenabbau stehen geblieben. Ich komme vor zehn Uhr; der Öffnungszeit der Förderbrücke; auf dem Parkplatz an. Es stehen schon zwei Paare ungeduldig vor der nicht besetzten Kasse, um eine Ticket zu erwerben. Immerhin erhöht sich durch die vier die Chance, das eine Führung stattfindet, weil ich mir nicht vorstellen kann, das noch viele Menschen an einem Donnerstag hier vorbeikommen.
Bergwerk in luftiger Höhe
Kurz bevor die Kasse geöffnet wird, fahren tatsächlich noch einige Autos auf den Parkplatz. Die Eintrittskarte gelöst, und schon geht es zum Treffpunkt für die Führungen. Und obwohl die Stahlkonstruktion, die ich besuchen möchte, 80 Meter über den Erdboden reicht, spricht man hier von einem Besucherbergwerk. Nachdem die Gruppe mit Helmen versorgt ist, besteigen wir den Stahlgiganten, der in den Jahren 1988 bis 1991 von der VEB TAKRAF Lauchhammer (heute MAN TAKRAF) erbaut wurde. Drei Jahre Bauzeit, und nur 16 Monate in Betrieb. Nach der Wende wurde das Braunkohlengebiet stillgelegt und die Abräumförderbrücke sollte verschrottet werden. Bis sich einige tatkräftige Menschen zu einen Förderverein zusammen fanden, und potentielle Geldgeber fanden, um das Industriedenkmal zu erhalten. Der Vorteil dieser Förderbrücken ist, das der Abraum auf der einen Seite abgebaggert wird, und gleichzeitig 500 Meter weiter zum Aufschütten benutzt wird. Dazu kann das Teil auf 760 Fahrwerksräder weiter in Querrichtung bewegt werden. Die Bewegung in Längsrichtung übernehmen spezielle Fahrzeuge, die die Schienen in Betrieb und automatisch umlegen können.
Turmfalkenweibchen beäugt die Besuchergruppe
75 Meter hoch auf der Förderbrücke F60
Mittlerweile hat die Gruppe die oberste Höhe des Stahlkolosses erreicht. Wir befinden uns 75 Meter über Grund, mit einer schönen Aussicht über die Lausitz. Neben der Abräumbühne entsteht ein Freizeitpark mit einem See, der seine geplante Wasserhöhe noch nicht hat. Nachdem ich wieder im Bergwerkzentrum stehe, bin ich während einer interessanten Führung etwa 1,5 Kilometer durch das Stahlgerüst gelaufen. Eine Bratwurst lässt das leere Gefühl im Bauch verschwinden, außerdem habe ich Gelegenheit, nach einer Tankstelle zu fragen, da ich kurz vor dem Parkplatz auf Reserve geschaltet habe. „Das ist kein Problem, in Finsterwalde sind Tankstellen“ sagt die freundliche Dame von der Wurstbraterei. Finsterwalde ist sechs Kilometer entfernt, also kein Problem. Ich fahre lieber diesen Umweg, um dann entspannt zurück zum Spreewald, zu einer Mühle, die ich mir ansehen möchte, zu fahren.
Nur ein Stillleben
In Finsterwalde (ja, die Sängerstadt) findet sich schnell eine Tankstelle, aber nicht nur der Benzinvorrat geht zur Neige, auch mein Vorrat an Bargeld lässt zu wünschen übrig. Da passt es, das gegenüber dem Spritverkäufer auch ein Geldverkäufer, sprich eine Sparkasse ,sein Quartier hat. Nachdem ich Tank und Geldbörse aufgefüllt habe, schiebe ich Schwalbe rückwärts auf dem Gehweg. Dabei höre ich merkwürdige Geräusche. Zuerst denke ich, das der Leerlauf nicht richtig eingelegt ist und schalte das Getriebe bei stehenden Motor mal durch. Aber trotzdem bleiben die Geräusche beim Schieben. Der Motor lässt sich aber normal starten, nur fahren will Schwalbe nicht. Beim Losfahren merke ich sofort, das irgendetwas blockiert ist. Ich schalte den Motor aus. Jetzt lässt sie sich auch nicht mehr rückwärts rollen. Nur mit Mühe bekomme ich sie auf den Hauptständer. Bei der Ursachenforschung fällt mir am Hinterrad ein gerissener Kettenkasten auf. Ich löse das Hinterrad mit meinem Bordwerkzeug, das ich immer mit habe, und sehe die Bescherung. Die Kette ist gerissen. Mit vielen Defekten hätte ich gerechnet, aber das die Kette reißt, im Leben nicht. Aus diesem Grund habe ich auch keine Ersatzteile, außer einer Zündkerze und einem Döschen mit Reparaturzüge, mit. Man hat sowieso nicht das Richtige mit, wie man jetzt wieder sieht. Eine Kette hätte ich nie mitgenommen. Nach einigem Minuten des Überlegens ist mir klar, was ich machen muss. Ich schreibe mir die zwei Straßen der Kreuzung, an der ich stehe, auf und rufe den ADAC, wo ich Mitglied bin an. „Warten Sie einen Augenblick. Sie werden zum nächsten freien Serviceplatz verbunden“. Lange brauche ich diese Ansage nicht zu hören, und schon habe ich eine Mitarbeiterin aus Fleisch und Blut an meinem Ohr. Sie möchte wissen, wo ich stehe und um welches Fahrzeug es sich handelt. „Simson? Das habe ich nicht im Verzeichnis, welcher Typ denn?“ „Das ist eine Schwalbe“. „Kann ich auch nicht finden“. „Dann schreiben Sie doch 50 cm³ Roller“. “Welcher Schaden liegt den vor?“ „Die Kette ist gerissen“. „Ja – welche Kette?“ Oh Mann „Die Antriebskette!“ „Ich glaube nicht, das unser Pannenfahrzeug das Ersatzteil mit an Bord hat. Dann schicke ich besser einen Abschleppwagen“. Wie soll auch ein ADAC-Pannenfahrzeug für einen knapp 30 Jahre alten Roller eine Kette mit haben? „Ja, das ist in Ordnung“ Nachdem ich noch Farbe und Kennzeichen übermittelt habe, bekomme ich noch die Info, das ich auf mich aufmerksam machen soll, wenn ich den Abschleppwagen sehe. Welche Möglichkeiten habe ich mit einer flügellahmen Schwalbe und einem Abschleppwagen. 1. Die Tour mit dem Abschleppwagen und Schwalbe Huckepack fortsetzen. Die Idee wird sofort von mir als unrealistisch verworfen. 2. Nach Lübbenau bringen lassen. Dort gibt es in der Innenstadt einen Fahrradhändler, der im Schaufenster Simsonteile liegen hat. Dort werde ich bestimmt auch eine Kette bekommen, notfalls auch vom Fahrrad. 3. Der Fahrer des Abschleppwagens kennt hier einen Laden, der Ersatzteile hat, oder sogar repariert, immerhin bin ich hier mitten im Simsonland. Nach dreißig Minuten warten kommt ein gelber Opel Frontera mit einem Anhänger. Während er sich umblickt und die blaue Schwalbe sieht, versuche ich auf mich aufmerksam zu machen, wie es die Dame am Telefon mir empfohlen hat. Der Fahrer winkt zurück und dreht noch eine Runde, damit er mit seinem Gespann auf der richtigen Straßenseite steht. Nachdem Schwalbe auf dem Hänger mit Gurten befestigt steht, fragt der freundliche Fahrer, was wir jetzt am besten machen sollen. „Entweder nach Mönchengladbach“, sage ich mit einem Lächeln auf den Lippen, „oder nach Lübbenau in die Pension, oder Sie kennen hier einen Laden der ‚ne Kette wechseln kann“. Lübbenau ist ihm etwas weit, aber in der Nähe ist ein Opelladen, wo er fragen möchte, ob hier eine Reparaturmöglichkeit besteht. „Die kennen sich hier besser aus als ich“. Mit einer zuversichtlichen Miene kommt er aus dem Laden heraus. „Nicht weit von hier ist ein Honda Motorradhändler, der kann ihnen bestimmt helfen“. Kann aber sein, das die Ketten einer 1000er Honda etwas üppig für ‚ne Schwalbe sind. Aber egal, erst mal sehen, was der Händler sagt. „Da habe ich bestimmt noch was da“, sagt der Chef der Motorradwerkstatt, die wir in fünfzehn Minuten vorsichtiger Fahrt erreicht haben. Und tatsächlich holt er aus dem Lager eine Simsonkette, die zwar etwas länger ist als die der Schwalbe, was aber für so einen Betrieb kein Problem darstellt. Das einzige Problem für den Chef ist, das er keinen freien Mitarbeiter hat. Einer ist krank, der andere hat Urlaub, und der Bernd muss noch an den Kundenmaschinen arbeiten. „Das ist kein Sache, die Kette kann ich selber wechseln, Werkzeug habe ich auch genug mit“, ist meine Antwort auf die Bedenken von Herren Steppan. „Dann ,rollen Sie das Schätzchen mal auf die Bühne, ich kürze in der Zwischenzeit mal die Kette“. „Das ist das neue Modell“, meint Herr Steppan zu dem ADAC-Mann „da sind die Ketten kürzer als beim alten Star“ Beide sehen sich an, und fangen an zu lachen Das neue Modell, nur knapp 30 Jahre alt. Auf der Bühne fixieren wir Schwalbe am Vorderrad, damit das Hinterrad frei ist. Mit der Hilfe und Tipps vom Chef wechsle ich die Kette und den Kettenkasten, der ja auch gerissen ist. Während ich vor der Bühne stehe; an der man ausgesprochen bequem arbeiten kann, kommt ein anderer Kunde um seine Honda abzuholen. „Was ist das denn? Ist ja wie in alten Zeiten“, grüßt Peter, als er die Schwalbe auf der Bühne stehen sieht. „Im Schuppen habe ich auch noch so eine Schwalbe stehen, da könnte ich auch mal wieder sehen, ob die noch anspringt“. Das ist aber überall so. Sobald die Leute hören, das man mit einer Schwalbe auf Tour ist, fällt ihnen ein, das irgendwo noch eine herumsteht, und mal wieder fertig gemacht werden müsste. Nachdem ich meine Finger versuchsweise gereinigt, die Ersatzteile bezahlt, mich für die Hilfe bedankt habe, bin ich auf dem Rückweg zu meiner Pension. Den Besuch der Mühle kann ich, da es zu spät geworden ist, vergessen. Lieber fahre ich zum Zimmer und versuche meine Finger in einem sauberen ausgehwürdigen Zustand zu bringen, damit ich ein letztes Mal im Restaurant Mühlenwehr das Essen genießen kann. Außerdem möchte ich mir heute Abend das Hemd aus dem Laden kaufen. Das Essen ist wieder hervorragend. Nur mit meinem Hemdenkauf habe ich weniger Glück. Ich komme um 18:05 Uhr aus dem Restaurant, und wundere mich, das die Läden ihre Außenständer schon reingeholt haben. In Lübbenau schließen die meisten Läden um 18:00 Uhr, so auch das Geschäft mit meinem Hemd. Also gut, dann gibt es halt kein Hemd. Morgen bin ich ja schon zum Harz unterwegs.
Die Karte
Die Links