Tag 6 Samstag, den 10. Mai 2008 Glück gehabt
Wie immer, wenn ich mein Lager verlasse, bin ich nervös. Und wenn ich nervös bin, kann ich nicht vernünftig frühstücken. (Wie oft habe ich das wohl schon geschrieben, aber so ist es nun mal). Ein Brötchen muss reichen, vergesse aber, mir eins für unterwegs mitzunehmen. Unter blauem Himmel fahre ich los, das Vorderrad nach Osten gewandt. Annaberg-Buchholz im Erzgebirge ist mein heutiges Etappenziel. Bei Saalfeld wird mir die Straße durch ein blaues Kraftfahrtstraßenschild verweigert, was ich recht einfach durch eine Parallelstraße ausbügeln kann. Und schon wenige Kilometer weiter, in Pössneck, muss ich die B 281 wieder verlassen, um mir eine Alternativstrecke zu suchen. Dank GPS, und vielen Wegpunkten neben der geplanten Strecke, ist das kein Problem. Ein Problem ist, das der Sprit alle ist, gerade als Schwalbe und ich von einer Landstraße auf eine kleine Kreisstraße einbiegen. Natürlich ist der Tank nicht leer; ich stelle einfach den Benzinhahn auf Reserve. Was mir ein wenig zu denken gibt, ist, das wir noch nicht mal 200 Kilometer seit dem letzten Tanken gefahren sind. Eigentlich ist das Umschalten erst nach ca. 210 Kilometer nötig. Aber was soll ich machen? Ich bin die letzten Kilometer nicht an einer Tankstelle vorbeigefahren. Also weiter Richtung Osten. Einzig, das ich nur winzige Ortschaften, meistens nur kleine Weiler, durchfahre, macht mich etwas nervös. Andrerseits bin ich am Niederrhein schon über 30 Kilometer in der Reserve rumgefahren, ohne das sich Schwierigkeiten eingestellt hätten. Das Dilemma hat sich schon angekündigt. Zu früh musste ich auf Reserve schalten, zu früh geht der Motor ohne Sprit aus. Irgendwo im Nirgendwo. Sechs Kilometer von Auma entfernt, einen Ort, der schon länger ausgeschildert war. Von dem ich aber nicht weiß, ob dort überhaupt eine Zapfsäule für Schwalbe steht. Es darf nicht sein, was nicht sein kann. Wir sind auf einer Steigung stehen geblieben, der Benzinhahn ist vorne am Tank geschraubt, also läuft das bisschen Benzin, was noch im Tank ist, nicht zum Vergaser. Ich drehe Schwalbe um 180° in Richtung bergab, warte 30 Sekunden. Nach dem fünften Kick springt sie an. Kann ich Auma noch mit dem Sprit erreichen? Ist dort eine Tankstelle? Das sehen sie nach der Werbung. Nein, das Leben geht weiter, genauso wie der Schwalbenmotor. Wenn auch nur mit andauerndem Wackeln, damit das Benzin sich nicht im hinteren Teil des Tanks ausruht, sondern den Weg nach vorne durch den Benzinhahn in den Vergaser findet. Aber sechs Kilometer sind zu weit. Oben auf der Passhöhe bleibt der Kolben mangels Benzin-Luft-Gemisch stehen. Aber immerhin habe ich es bis oben geschafft, und kann solange den Berg runterrollen, bis die nächste Steigung kommt. Jeder Meter zählt. Drei Kilometer weiter kommt die nächste Steigung, und damit das Ende meiner Bergabfahrt, aber auch Auma ist erreicht. Leider ist Auma nicht unbedingt ein Ort, der für einen Mineralölkonzern als umsatzstark gilt. Es gibt also keine Tankstelle. Was ich sehe, sind fünf bis sechs Häuser und ein Sägebetrieb. Ich frage eine Gabelstaplerfahrer, ob ich eine Chance habe, irgendwo Benzin herzubekommen. „Wie weit kommste denn noch“? „Null, nur noch zu Fuß, der Tank ist komplett leer“. „Geh mal rüber in die Halle, da ist einer, der hat bestimmt was“. In dieser Halle werde ich zur nächsten Halle geschickt. Aber irgendwo muss es doch in so einem Betrieb einen geben, der Sprit hat? Auf dem Weg in die zweite Halle, der Betrieb zieht sich links und rechts von der Straße die ich gekommen bin, kommt mir ein Auto von den Wohnhäuser entgegen. Die Fahrerin hat keinen Sprit, nur einen riesigen Hund auf dem Rücksitz, der sich nicht mehr einkriegt. Ich glaube, ich möchte gar kein Benzin mehr. Das Vieh könnte mich locker nach sonst wo ziehen, wenn er vor der Schwalbe gespannt wäre. Vor der nächsten Halle kommt mir schon jemand entgegen: „Sie brauchen Sprit für ihre Schwalbe? Ist aber ein altes Schätzchen, was Sie da haben. Ich muss mal sehen, ob wir irgendwo Zweitaktöl haben“. „Öl habe ich mit, ich brauche nur Benzin, egal ob Normal oder Super, nur mit Diesel kommt die Schwalbe nicht klar“. Wir gehen zu einem Schuppen, wo mehrere Fässer stehen. Ich bekomme 5 Liter Benzin in einem Eimer mit Ausgießer, womit ich den Tank von Schwalbe zumindest teilweise wieder füllen kann. Mit fünf Euro für die Kaffeekasse bin ich dabei auch noch preiswerter als an einer Tankstelle weggekommen. Da habe ich aber viel Dusel gehabt, denn die nächste Tankstelle, an der ich vorbeikomme, ist zwölf Kilometer entfernt, und außerdem ist heute Samstag. Das in dem Sägewerk überhaupt gearbeitet wurde.
Mit Sprit läuft Schwalbe wieder prächtig
Einhundert Kilometer weiter komme ich an einem Unfall vorbei. Ein PKW ist, warum auch immer, von der Fahrbahn abgekommen, dann auf einer Wiese zwischen Straße und Wald weitergerutscht und an einem Baum zum Stehen gekommen. Die Fahrerin sitzt noch am Steuer, wohl nicht verletzt, aber geschockt. Vielleicht war der Spritmangel dann doch nützlich. Sonst wäre ich vielleicht der Baum gewesen. Mein Zimmer in Annaberg-Buchholz habe ich im Gashof „Böhmisches Tor“ vorbestellt. Zwei Nachteile hat das Böhmische Tor, zum einen ist der Parkplatz, der auf der Internetseite beschrieben war, zwar ein Parkplatz, aber leider ein öffentlicher. Ich hätte Schwalbe lieber auf einem Hinterhof gestellt, damit sie nicht so auf dem Präsentierteller steht. Und zweitens ist das Zimmer im 4 Stock unter dem Dach, damit sehr warm, und klein. Das Zimmer in Suhl war locker dreimal so groß. Aber zumindest gibt es auf Anhieb warmes Wasser zum Duschen. Und das Essen, Putenrouladen mit frischem Spargel, ist lecker. Auch Iluminati kann ich in Ruhe lesen. Schwalbe fliegt schon 1365 Kilometer störungsfrei durch Deutschland
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Der Gasthof „Böhmisches Tor“ ist mittlerweile „Dauerhaft geschlossen“
Tag 7 Sonntag, den 11. Mai 2008 Tief im Berg, wieder mal
Die Zimmertemperatur gestern abend konnte ich durch das Öffnen des Dachfensters auf ein erträgliches Maß senken, so das ich ganz gut geschlafen habe. Die Weizenbiere taten da wohl das Übrige. Wieder bin ich früh - und alleine am Frühstücken. Die anderen Gäste, es sind mehrere Tische eingedeckt, schlafen wohl noch fest. Aber ich habe um 10:00 Uhr einen Termin, das heißt, im Besucherbergwerk Pöhla beginnt dann die Führung, die drei Stunden dauern soll. Die nächste Führung wäre erst wieder um 14:00 Uhr. Ich muss ja die Geschwindigkeit von Schwalbe beachten, kann ja nicht einfach den Gashahn aufdrehen wie bei Suzie. Höchstgeschwindigkeit ist Höchstgeschwindigkeit, und bergauf noch etwas langsamer. Also lieber etwas eher losfahren.
Eingang des Bergwerk Pöhla
Dreißig Minuten vor Beginn der Führung stehe ich am Bergwerk, und binde Schwalbe fest. Außer mir ist nur ein Hund mit seinem Herrchen auf dem Gelände, der auf Besucher wartet. Die Führungen im Bergwerk, das von einem Verein betrieben wird, werden erst ab 10 Personen durchgeführt. „Da kommen bestimmt noch Gäste“, ermuntert mich Herbert. „Allerdings“, gebe ich zu bedenken „ist heute Sonntag, und zu allem Übel auch noch Muttertag“. Zehn Minuten vor zehn kommt Franz, ein anderes Vereinsmitglied, der sich in die Kleiderkammer begibt, um sich für die Führung um zuziehen. Aber wozu umziehen, weit und breit ist keine Menschenseele zu sehen. Karl, der mittlerweile in einer blauen Arbeitskluft bei uns steht, ist noch voll der Hoffnung, das noch weitere Besucher kommen, damit er seine Fähigkeiten als Führer anbringen kann. Und tatsächlich - zwei Minuten vor zehn hält ein Wagen mit drei Personen, einem Paar mit Kind. Aber mit vier Gästen haben wir noch nicht mal die 50% Hürde geschafft. „Jetzt bin ich schon mal hier, dann kann ich mit euch auch in den Berg einfahren. Ich warte doch nicht vier Stunden hier oben auf neue Gäste“. Mit diesen Worten schleust uns Karl in die Besucherkleiderkammer, damit wir uns mit Umhang und Helm ausrüsten können. „Einfahren“ ist hier nicht nur bergmännisch gemeint. In jedem (Besucher)Bergwerk, obwohl es vielleicht zu Fuß in den Berg geht, fährt man ein.. Wir fahren mit einer umgebauten Grubenbahn 3000 Meter in den Berg. Umgebaut deshalb, weil die Anhänger der Bahn für Besucher geschlossen sind, damit der Gast nicht mit seinem Schädel oder Ellenbogen am Fels hängen bleibt. Bergleute hatten diesen Komfort natürlich nicht. Mein Banknachbar, Mutter und Tochter, sind im vorderen Teil des Wagens eingestiegen, wird von Minute zu Minute unruhiger. Seine Frau fragt ihn, ob es noch geht. Ach du lieber Gott, der arme Kerl leidet unter Platzangst. Ob dann untertage der richtige Ort für ihn ist? Mal sehen, was noch so kommt.
Dieser Zug bringt uns 3000 Meter in den Berg des Uranbergwerks
Irgendwann ist für ihn aber auch diese Tortour vorbei, der Stollen, in dem wir uns befinden, ist doch recht groß ausgebaut, und Udo, wie der Familienvater heißt, geht es wieder besser. Was mir sofort an diesem Besucherbergwerk auffällt, ist, das es aussieht wie ein Bergwerk das noch in Betrieb sein könnte, soweit ich das Laie beurteilen kann. Was von Karl auch so bestätigt wird, mit der Einschränkung, das die Wege für die Besucher vom Matsch befreit wurden. Die Bergleute mussten Stiefel tragen, um nicht immer nasse Füße zu haben. Auch die übliche Figuren, wie in anderen Bergwerken, die zeigen sollen, wie das Bergwerk, in welchem Jahrhundert auch immer, ausgesehen hat, fehlen hier komplett. Bis 1991 hat Karl in diesem Bergwerk als Lokführer gearbeitet. Es wurde überwiegend Uranerz für die Sowjetunion abgebaut. Nicht das die DDR das Erz an die Sowjetunion verkauft hätte: die SDAG Wismuth war de facto ein sowjetisches Unternehmen, wie auch die Bergleute von sowjetischen Soldaten kontrolliert wurden. Unser Bergmann holt ein Stück Erz aus seiner Aktentasche. Uranerz, das er auf einer Halde in der Nähe gefunden hat. „Zu DDR – Zeiten wäre ich dafür nach Sibirien gegangen“. Unsere Bedenken, was die Strahlung betrifft, weist er von sich. „Uranerz ist nur sehr schwach strahlend“.
Stollen im Bergwerk Pöhla
Zinnkammer im Bergwerk Pöhla
Da Karl ja bis zuletzt hier im Bergwerk tätig war, kann er uns viel über die Arbeit in einem modernen Bergwerk, insbesondere über die in einem DDR-Bergwerk, erzählen. Der Lohn bestand aus einem Grundgehalt und einer eventuellen Zulage, wenn man besondere Leistungen erbracht hat. Sei es nun, das ein Sprenglochbohrer mehr Löcher bohrte als im Plan stand. Natürlich wurde von ihm dann verschwiegen, wenn er ein besonderes Mineral gefunden hatte. Denn dann kamen die Geologen, und mit Bohren war erst mal Schluss. Der Plan wurde nicht erfüllt, geschweige denn eine über den Plan liegende Mehrarbeit. Also lieber den Mund halten und weiter bohren, damit man am Ende des Monats eine Zulage erarbeitet hat. Und der Genosse Sprengmeister war dann auch zufriedener, denn er wurde ja auch anhand der geleisteten Sprengungen gemessen. Oder die Sache mit dem Bitumen. Man spritzte die Wände mit einer Bitumenmixtur ein, um den Staub zu binden. Die Schneebergerkrankheit sollte damit verhindert werden. „Wozu wird Bitumen noch verwendet? Unterbodenschutz bei Autos. Und je mehr Bitumen verbraucht wurde, desto mehr Prämie gab es. Also doppelt verdient. Prämie und draußen den Bitumen verkauft, oder getauscht.“ Unsere Lokführer machten es genauso: anstatt 60 Hunde ( so werden im Bergbau die Anhänger genannt, die zugelassen waren) spannte er einhundert hinter dem Tausendfüßler, wie die Lok wegen ihrer vielen Achsen genannt wurde. Wichtig war die Tonnage, die ausgefahren wurde, egal ob das Material darunter leidet oder nicht. Während der Erläuterung des Bergmannes sind wir einige Meter weiter in den Berg gegangen und stehen nun vor einer Bohrmaschine, mit denen die Bohrlöcher für die Sprengungen gebohrt wurden. Wir bekommen erklärt, unter welchen Arbeitsbedingungen die Bohrleute gearbeitet habe. Staub, ölhaltige Luft (durch die Pressluft des Bohrers) und Lärm. Karl erklärt aber nicht nur; er greift zu einem Pressluftventil und öffnet es. Die Bohrmaschine und deren Anschlussschläuche fangen bedrohlich zu zischen an. Mir schwant schon, was kommt. Karl lässt uns aber nicht erschrecken, sondern warnt uns vor dem Höllenlärm, und rät uns, die Ohren zuzuhalten. Da er auch keinen Ohrschützer trägt, verzichte ich darauf. Der Lärm ist ohrenbetäubend, und zum Glück nach wenigen Sekunden vorbei. Der klaustrophobe Familienvater rennt wie vom Blitz getroffen um die nächste Ecke. Weichei! Die wenigen Sekunden des Bohrens haben ausgereicht, die Luft mit Staub und Öldunst zu füllen, zumindest kann ich erahnen,wie es im Betrieb hier gewesen ist. Da die Ventile in der Zwischenzeit wieder geschlossen sind, ist auch die Familie wieder komplett, und wir können weitergehen. Insgesamt drei Stunden dauert die Führung, in der wir auch einen Abraumstollen durchkriechen. Unser Familienvater wurde aber von Karl schon vorgewarnt, das es etwas enger wird, und hat ihn über einen anderen Weg geführt, wo wir uns etwas später wieder treffen. Kurz vor dem Ende der Führung bekommen wir noch die Zinnkammern zu sehen, in denen es auch eine Bühne für Musikvorführungen gibt. Mit einem Mal stehen wir wieder vor der Bahn, die uns ans Tageslicht bringt. Für mich ist das Besucherbergwerk Pöhla eines der schönsten Bergwerke, die ich je besucht habe.
Bei der Mittagspause lockt mein Apfel
Nicht weit vom Bergwerk liegt die Ortschaft Rittersgrün, zu der ich jetzt weiterfahre. Dort gibt es ein kleines Schmalspurbahnmuseum. Der Präsident des Vereins begleitet mich in den Lokschuppen, wo drei Dampfloks stehen. Da er mich mit der Schwalbe kommen sah und gelesen hat, das ich aus Mönchengladbach komme, erwähnt er sofort, das eine vierte Lok im Augenblick neu aufgebaut wird. Der Kessel stammt von der Fa. DUPIUS/Dekedo aus Mönchengladbach. Irgendwann soll sie unter Dampf bei der Parkbahn Rittersgrün fahren.
Kleines Schmalspurmuseum in Rittersgrün
Nach dem Besuch des Schmalspurbahnmuseums muss ich mich an einer Kreuzung entscheiden. Rechts nach Karlsbad, oder links über Oberwiesenthal wieder zurück nach Annaberg-Buchholz. Bis Karlsbad sind es ca. 70 Kilometer, sprich knapp zwei Stunden Fahrzeit plus die Zeit in Karlsbad. Das wird zu spät, also über Oberwiesenthal nach Hause. Schwalbe muss sich bis auf 1070 Höhenmeter Hoch quälen, stellenweise wieder im ersten Gang. Während der Rückfahrt sind zum ersten mal vermehrt Trabis unterwegs, wahrscheinlich ein sonntägliches Treffen. Jetzt sehe ich, das Schwalbe für die Geschwindigkeit dieser Autos gebaut wurde. Nur selten kann mich so ein Wagen zu überholen.
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Tag 8 Montag, den 12. Mai 2008 Spielzeuge aus Holz
Mitten in der Nacht werde ich durch Geräusche wach. Ein Mann und eine Frau schreien sich gegenseitig an, die Rigipswände halten von dem Tumult nicht viel ab. Es wird nicht leiser. Ich springe vor Wut aus dem Bett, schmeiße Hemd und Hose über, und bin gerade dabei, meine Wanderschuhe anzuziehen (die sind recht grob, und man kann wahrscheinlich nachhaltig damit treten. Ganz unbewaffnet darf man ja in solch einer Situation nicht rein stürmen), als ich mehrere Zimmertüren höre und eine zweite Frau das Schreien anfängt. Jetzt hat er wohl die schlechteren Karten. Die Zimmertüre fällt krachend zu, und die beiden Frauen gehen flüsternd über den Flur. Ob da wohl der Haussegen schief hängt? Den Rest der Nacht kann ich ungestört weiter schlafen. Ich roller nach Seiffen,das Holz- und Weihnachtsdorf im Erzgebirge. Von hier kommen die Original erzgebirgischen Holzwaren, seien es die Nussknacker, die Räuchermännchen, oder die bekannten Weihnachtspyramiden. Das ganze Dorf ist auch mitten im Mai weihnachtlich. Adventshaus, Weihnachtsstube, überall drehen sich die Weihnachtspyramiden und stehen Kerzenbogen in den Läden. Ich fahre lieber ins Spielzeugmuseum.
Die Stube eines Schnitzers
Aber ganz ohne Weihnachten geht es auch hier nicht, mitten im großen Saal des Museums steht eine riesige Pyramide. Aber das Hauptthema sind die Menschen, die in früheren Zeiten Holzspielzeuge und später Weihnachtszubehör hergestellt haben. Ein leichtes Leben war das nicht. Vielfach wurden diese Arbeiter ausgebeutet: Materialwert: 0,80 Mark der Verleger/Großhändler bezahlt den Schnitzer mit: 1,20 Mark Der Großhändler verkauft an den Einzelhändler mit: 3,45 Mark Und der Einzelhändler an den Kunden: 5,70 Mark. Auch zu meiner Kinderzeit wurde noch Holzspielzeug produziert, obwohl ich, damals wie heute, eher zu Blechspielzeug neige. Erst später wurde die Umstellung von Spielzeug zur Weihnachts- und Volkskunst vorgenommen. Nach dem zweiten Weltkrieg ist der Schnitzer als Lehrberuf anerkannt worden, und damit eine Besserstellung der Arbeiter.
Roller in Holz
Schwalbe wartet vor dem Museum
Nur wenige hundert Meter vom Spielzeugmuseum ist das Freilichtmuseum von Seiffen, das eine Außenstelle des Museums darstellt. „Gehen sie zuerst zu dem großen Gebäude im Tal, dort ist der Reifendreher, der hat um 12:00 Uhr Pause. Dann können sie ihm noch über die Schulter schauen“, werde ich von der Kassiererin aufgefordert. Für mich sehen die Gebäude alle nicht sehr groß aus, prompt verlaufe ich mich und lande in der Säge. Ich umrunde das Gebäude und lande in der Werkstatt des Reifendrehers. Das Reifendrehen ist eine handwerkliche Fertigkeit, die im Erzgebirge entwickelt wurde und auch heute dort noch gepflegt wird. Das Ergebnis sind kleine Tiere, andere Figuren oder auch Nachbildungen von Häusern aus Holz, die zum Ausschmücken von Weihnachtspyramiden- oder –krippen verwendet werden. Es wird ein Holzstück auf eine Drechselbank so bearbeitet, das ein Holzring mit einem Durchmesser von etwa 30 bis 50 Zentimeter entsteht, der im Querschnitt die Kontur der gewünschten Figur besitzt. Anschließend werden von dem Ring kleine Segmente abgespalten – die Rohlinge, die noch durch Schnitzen und Bemalen ihre eigentliche Form und Farbe bekommen.
Drehbank eines Reifenschnitzers, aus denen Spielzeuge geschnitzt werden
Die Drehbank wurde in früheren Jahrhunderten mit Wasserkraft angetrieben. Am 21.Juni 1912 wurde in Lichtenberg ein Elektrizitätswerk mit einer Dampfturbine in Betrieb genommen, die Häuser und Werkstätten kamen ans Stromnetz. 1913 konnte man 35.000 angeschlossene Glühlampen und 1420 Motoren zählen. Auch hier im Museum wird die Drechselbank mit Strom angetrieben, obwohl ein Wasserrad vorhanden ist. Aber der Bach führt zu wenig Wasser, um die Bank ständig in Bewegung zu halten.
Der Tobiashammer in Ohrdruf. Ein mit Wasserkraft angetriebener Schmiedehammer
Freilichtmuseum in Seiffen
Die Rückfahrt nach Annaberg-Buchholz führt mich über eine schöne Strecke an der tschechischen Grenze entlang. Bei einer Pause stecke ich mir die Kopfhörer des MP3-Players in die Ohren. Bei einem Lied singe ich lauthals mit - und anscheinend kann man mich bei geöffneten Visier hören, die Leute am Straßenrand sehen ein wenig verständnislos in meine Richtung. Zum Glück kennt mich ja hier keiner. Bevor ich zurück in den Gasthof fahre, möchte ich mir noch den Frohnauer Hammer ansehen. „Die Führung beginnt in etwa 15 Minuten“, sagt die freundliche Kassiererin in ihrem Häuschen. Vor dem Gebäude des Hammers sind Bänke aufgestellt, auf denen schon einige Menschen warten, um auch an der Führung teilzunehmen. Ein Mann versucht mit Selbstauslöser und einer Mülltonne ein Photo vom Wasserlauf des Wasserrades und sich zu machen. Während er das Ergebnis auf dem Display betrachtet, kann ich in seinem Gesicht ablesen das, das Ergebnis wohl nicht besonders ist. Ich biete ihm meine Hilfe an, die er dankbar annimmt. Noch immer beginnt die Führung nicht, obwohl die viertel Stunde schon längst vorbei ist. Man lässt uns lange warten. Die Gruppe ist in der Zwischenzeit auch mächtig angewachsen. Dreißig Minuten nach dem eigentlichen Termin werden wir von einem Mann in Lederschürze und Hut abgeholt, der sich auch gleich für die Verspätung entschuldigt. Ein Fernsehteam hat länger gebraucht als geplant. Im Innern des Hammer, der hier durch Wasserkraft angetrieben wird, sind einige Kunstschmiede bei der Arbeit. Es sind Künstler aus verschiedenen Teilen Europas. Deswegen auch das Fernsehteam. Aber auch dieser Hammer, wie schon in Ohrdruf, ist eher enttäuschend. Zum Glück sind die Schmiede hier bei der Arbeit, weswegen hier und da ein Feuer lodert, und bei der Vorführung des Hammers ein glühendes Stück Eisen bearbeitet wird. Schnell werden wir wieder aus dem Bereich des Hammers in ein Museum bugsiert, wo Schmiedearbeiten aus den letzten Jahrhunderten zu besichtigen sind. Der Herr, dem ich bei seinem Bild vor dem Hammergebäude behilflich war, macht mich auf ein Motiv aufmerksam. Durch ein Fenster kann ich die Hämmer von oben einsehen. Also richtig interessant war auch dieser Hammer nicht, einzig der Eintrittspreis von drei Euro, gegenüber von 5,60 Euro für den Ohrdruffer Hammer, sind angemessen.
Ich fahre noch zur Annakirche, ein schönes Natursteingebäude, um einige Photos zu machen. Ein Schwalbenfahrer sieht sich die Sache erst aus einiger Entfernung an, um dann aber doch, bevor ich wieder weiterfahre, zu mir zu kommen. Da seine Schwalbe einige Probleme macht, wollte er von mir einige Tipps haben - dabei denke ich, das ich hier im Schwalbenland bin. Es stellt sich aber heraus, das Uwe, so der Name des Schwalbenfahrers, eigentlich aus Köln kommt, und nur hier studiert.
Am Abend im Restaurant meines Übernachtungsquartiers spricht mich der Kellner an, ob mir die Schwalbe vor der Türe gehört. Sein Schwager, der Koch des Familienunternehmens, meint, mich damit gesehen zu haben. Ich bestätige ihm, das ich mit der Schwalbe hier sei. „Sie sind aber mit dem Zug von Mönchengladbach bis in den Osten gefahren?“ Das es nicht so ist, ringt ihm gehörigen Respekt ab, und er muss sofort seinen Schwager in der Küche informieren. „Wir haben die Schwalbe höchstens für den täglichen Weg zur Arbeit genutzt.“
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Spielzeugmuseum Seiffen
Tag 9 Dienstag, den 13. Mai 2008 Auf nach Dresden
Diese Nacht konnte ich ohne Zwischenfälle durch schlafen, ich bin wohl noch der einzige Gast im Gasthof „Böhmisches Tor“. Auch im Restaurant ist nur ein Frühstücksgedeck aufgelegt. Die Schwalbe habe ich schon vor dem Frühstück gepackt, damit ich sofort losrollern kann. Ich fahre heute nach Dresden, das etwa 140 Kilometer von Annaberg-Buchholz entfernt ist. Inge, die aus Mönchengladbach unterwegs ist, wird erst am Nachmittag ankommen, so das ich reichlich Zeit habe für den Weg. Einen Zwischenhalt habe ich beim Schloss Augustusburg vorgesehen. Im Schloss sind verschiedene Museen untergebracht, unter anderem ein Motorradmuseum. Der Parkplatz vom Museum liegt vor dem Schlosshügel, was bedeuten würde, das ich den ganzen Weg zu Fuß gehen müsste. Bei diesen Temperaturen kein angenehmer Gedanke. Aber ich habe Glück, die Zulieferstraße nach oben ist nicht mit einer Schranke gesichert. Nur eine Ampel, die rot zeigt, kann mich doch nicht aufhalten, und ich bekomme wenige Meter vom Schlosstor einen schönen Abstellplatz für Schwalbe
Motorradmuseum im Schloss Augustusburg. BMW R 47, Bj. 1927, 500 ccm, 18PS, 125 Km/h.
Da es im Schloss Augustusburg insgesamt fünf Museen gibt, möchte mir die Dame an der Kasse natürlich sofort ein Kombiticket verkaufen. Da ich mich aber nur für drei der fünf entschieden haben, spare ich glatt 40 Cent. Das macht es natürlich nicht aus, aber ein „Museum für Jagdtier - und Vogelkunde“, in dem ausgestopfte Vögel stehen, und eine „Ausstellung zur Schloss- und Jagdgeschichte“ interessieren mich nicht so sehr. Also genügen mir die drei Eintrittskarten. Als erstes gehe ich in das Motorradmuseum, in dem ausgesucht schöne, und erstklassig restaurierte, Motorräder stehen. Angefangen bei einem Reitwagen von Daimler aus dem Jahr 1885, den es aber nur noch als Kopie gibt, da das Originalfahrzeug 1903 verbrannte. Themenbereiche sind die Vier- und Zweitaktmotore, Fahrzeuge aus der ehemaligen DDR, und dem europäischen Ausland.
Megola “Zweiradauto” Bj. 1922
DKW SB 500 Bj. 1935
Nach den Motorfahrzeugen gehe ich zu den pferdeangetriebenen Fahrzeugen, das zweite Museum für mich ist das Kutschenmuseum. Durch einen Besuch des Museu dos Coches in Lissabon verwöhnt, möchte ich mir auch hier die Kutschen ansehen. Untergebracht ist es, stilecht, in der Remise des Schlosses. Es stehen einige schöne Kutschen im Museum, aber mit dem Lissabonner Museum ist das kein Vergleich. Dort standen sie in einer großen ehemaligen Reithalle und konnten von allen Seiten betrachtet werden. Hier darf ich sie nur von vorne ansehen. Um bessere Aufnahmen machen zu können, möchte ich doch näher ran.
Kutschenmuseum im Schloss Augustusburg. Die Feuerspritze fand seit Beginn des 19. Jh. Verwendung im Schloss
Zum Glück ist auf der Eintrittskarte ein Plan aufgedruckt, wo sich welches Museum befindet, denn der Eingang zum Folterkeller ist ein wenig versteckt. Der Keller ist schön zurechtgemacht, und erinnert an einen tatsächlichen Folterkeller. Wobei ich zugeben muss, noch nie unter echten Bedingungen in einer solchen Räumlichkeit meine Zeit verbracht zu haben. Dieser Keller ist aber ein echter Kerker. Er wurde gleich zu Beginn des Schlossbaues von Kurfürst August angelegt. Insgesamt waren es drei Räume, denn Meutereien oder sogenannte Empörungen der Handwerker waren auf solchen Baustellen nichts ungewöhnliches. Natürlich blieben die Kerker in der nachfolgenden Zeit nicht unbenutzt. Heute wird dort über Strafen und Foltergerät im Mittelalter informiert.
Foltermuseum im Schloss Augustusburg
Nachdem ich diesen düsteren Raum verlasse, merke ich ein leeres Gefühl in meinem Magen. Der Imbiss im Innenhof des Schlosses kann mit einer Bratwurst Abhilfe schaffen. Dann fahre ich ohne Umwege Richtung Dresden. Auch die Bundesstraßen sind heute auf meiner Seite, keine Kraftfahrzeugstraße, die mich zwingt, die Richtung zu ändern. Selbst Robby Williams, der vor zwei Jahren in Dresden ein Open Air Konzert gab und damit einen Megastau verursachte, ist heute nicht in der Stadt. Ich kam seinerzeit von meiner Österreichtour zurück. Inge und ich trafen uns damals auch in Dresden. Aber heute ist kein Stau, und ich kann locker in die Stadt fahren. Mittlerweile sind meine Ortskenntnisse so ausgeprägt, das ich den Blick aufs GPS vernachlässigen kann. Kurz nach 14:00 Uhr bin ich in der Wohnung im Wachwitzgrund, um sofort unter die Dusche zu springen. Nach einiger Zeit kommt auch Inge an, und unsere Woche in Dresden beginnt.
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Deutschland Teil 3