Deutschland Teil 5
Tag 19
Freitag, den 23. Mai 2008
Wieder Richtung Westen
Um viertel nach neun bin ich wieder unterwegs, um zum letzten Mal mein Übernachtungsquartier zu wechseln. Es geht nach Wernigerode im Harz, das etwa
250 Kilometer von Lübbenau entfernt ist. Aber im Augenblick kann ich mir nicht vorstellen das ich dort ankomme. Nicht etwa Schwalbe macht Probleme, sondern
ich habe sie. Ich komme nicht mit den Pollen klar, mir brennen die Augen, die Nase läuft aus, und das Niesen will überhaupt nicht aufhören. Trotz der Augentropfen, die
ich normalerweise während des Fahrens überhaupt nicht nehmen muss. Bei einer Pause, oder am Ziel, wenn der Fahrtwind nachlässt, fangen manchmal die Augen an
zu jucken, aber noch nie während der Fahrt. Ich kann den Staub aus den Getreidefelder, fast wie Nebelschwaden; aufsteigen sehen. Und wogegen bin ich
wohl allergisch?
Zu allem Übel kommt mir schon nach zwanzig Kilometer wieder eine Kraftfahrzeugstraße in die Quere. Also nicht um Luckau herum, sondern mitten
durch. Mit dem GPS halte ich im Ort die grobe Richtung, und finde dann auch wieder die B 102, die uns weiter nach Westen bringt.
Erst in Jessen, nach zwei Stunden Fahrt, hört das Augenjucken auf, nur die Nase kann das Laufen nicht lassen. Aber das stört mich nicht all zu sehr. Zeitweise konnte
ich durch die Tränen in den Augen das GPS nicht vernünftig erkennen. Heute hadere ich aber wirklich mit mir selber. Die Motorradjacke reibt mir am Hals,
außerdem ist mir kalt. Selbst die Musik vom MP3-Player geht mir heute auf den Zwirn. Ich ziehe mir die Jacke von meinem Sportanzug an und sehe, das mein Hals
durch die Mopedjacke rot gerieben ist. Kann es denn sein, das so eine Jacke nach knapp 2000 Kilometer reibt, und vorher nicht. Ich denke, mich würde heute auch die
berühmte Fliege an der Wand stören. So kenne ich mich gar nicht.
Kein gutes Fahren heute.
Kämpfe mit den Pollen und
dem Kragen der Jacke
Die Strecke ist eigentlich schön; es geht lange Zeit am Elbufer vorbei, wobei die Erinnerungen an Dresden wieder wach werden. Um 16:05 Uhr stelle ich Schwalbe,
die ohne Murren die Strecke gelaufen ist, auf dem Parkplatz der Pension „Zur neuen Quelle“ ab. Ich bekomme ein schönes Zimmer, das leider zur Straße hinaus geht,
gezeigt. Aber die Fenster sind gut geräuschisoliert, so das die Straße nicht allzu sehr stört. Außerdem bekommt Schwalbe einen Platz auf dem Innenhof, damit sie
nicht abhanden kommt.
Beim Abendessen meint die Kellnerin, das Wernigerode wohl ausgebucht sei. Vier mal kommen Leute in die Gaststube und fragen nach Zimmer. Jedes Mal muss sie
eine negative Antwort geben, selbst eine befreundete Pension ist schon voll und kann niemanden aufnehmen. Klar, heute ist Freitag und gestern war in
verschiedenen Bundesländern ein Feiertag. Da kann ich wieder froh sein, vorher gebucht zu haben.
Nicht immer sind
die Straßen gut
Die Karte
Der Link
Den Gasthof gibt es wohl nicht mehr. Dort ist jetzt ein Apartmenthaus.
Der Link auf dem alten Banner
Tag 20
Samstag, den 24. Mai 2008
Flugzeuge im Harz
An diesem Samstagmorgen bin ich schon vor dem Öffnen der Hallen des Luftfahrtmuseums auf dem Parkplatz. Jetzt kann ich in Ruhe Aufnahmen mit der
Schwalbe und einer Antonow 2, dem größten einmotorigen Doppeldecker, die auf dem Vorplatz steht, machen. Das Museum liegt in einem Gewerbegebiet in
Wernigerode, nur ein paar Kilometer von meiner Pension entfernt. Der Motor von Schwalbe ist noch nicht mal richtig warm, schon muss sie für die Photos posieren.
AN 2 vor dem
Luftfahrtmuseum
Schwalbe vor dem
Luftfahrtmuseum
Für 3,50 € komme ich in die Museumshallen, das heißt, zuerst lenkt eine Glasvitrine die Aufmerksamkeit auf sich. In dieser Vitrine liegen die verschiedensten
Armaturen aus ausgemusterten Fliegercockpits, die käuflich zu erwerben sind. Zum Glück, oder leider, keine Uhr. Sonst wäre ich vielleicht noch schwach geworden. In
der ersten Halle, die ich betrete, stehen schön aufgebaut die verschiedensten Flieger und Hubschrauber. Überwiegend militärisch genutztes Gerät, welches das
Museum in den unterschiedlichsten Erhaltungszuständen zur Verfügung gestellt bekommen hat. Es steht die Cockpitkanzel einer Bréguet Atlantic; einem See-
Aufklärer; und eine Lockheed F-104, besser bekannt als Starfighter, in den Hallen. Beim Starfighter habe ich erst die Vermutung, das man ihm aus Platzgründen die
Flügel gestutzt hat. Aber beim Studium der Infotafel lese ich, das es wirklich nur 6,68 Meter sind. Um in die Cockpits zu sehen, hat man extra Treppen an die Flieger
gestellt. Hier sind die Flieger hautnah, anders als in der vorigen Woche im Kutschenmuseum, die nur aus der Ferne angesehen werden durften.
Starfighter F-104.
Nur 6,70 Meter Spannweite
Das Cockpit
Nach dem Flugzeugmuseum fahre ich zum Schloss Wernigerode, was aber gar nicht so einfach ist. In der Innenstadt sind einige Straßen aufgerissen und zwingen
Schwalbe und mich, verbotene Wege zu nehmen. Aber irgendwann stehe ich doch auf dem Parkplatz des Schlosses, was mich zwar dazu nötigt, den Weg nach oben
zu Fuß zu gehen. Aber oben, vor dem Schloss, ist wirklich kein Platz, Schwalbe abzustellen.
Das Schloss kann zum Glück ohne Führung besichtigt werden, was das photographieren, das leider wieder mal verboten ist, enorm erleichtert. Ich packe die
große Kamera in die Tasche, und hänge die Kleine locker um das Handgelenk. Das Menü ist auf Langzeitbelichtung ohne Blitz eingestellt, wie auch der Ton für den
Auslöser abgestellt ist. Der Rundgang führt mich als erstes in die Kapelle, in der wohl im Augenblick eine Hochzeit vorbereitet wird. Viele Blumen; Stühle zugestellt;
und eine geschmückte Bank für das Paar aufgestellt. Auf der Empore steht schon ein Chor, der sich einsingt. Ich gehe lieber weiter zu den Räumen, die Graf Otto zu
Stolberg-Wernigerode mit dem ausgehenden 19. Jahrhundert, zu Repräsentationszwecken, umgestalten ließ.
Nach dem Schlossbesuch verspüre ich wieder diese Leere im Magen, die aber auf einer Gaststättenterrasse wieder beseitigt werden kann. Da ich lieber am Abend in
meinem Gasthof, bei einem Glas Bier, vernünftig essen möchte, suche ich mir nur eine Kleinigkeit aus der Karte aus.
„Ich hätte gerne die Bratwurst, aber statt Sauerkraut, wie in der Karte, lieber
Pommes.“
„Das ist aber dann ein Kinderteller“, ist der Kommentar der Kellnerin. Meint aber auf
meinen fragenden Blick, das es kein Problem ist.
Schloss
Wernigrrode
Wenn ich schon mal im Harz bin, möchte ich auch eine Rundfahrt durch den selbigen machen. Ohne großartige Routenplanung fahre ich Richtung Braunlage. In
Drei Annen steht am Bahnhof die Dampflok der Harzer Schmalspurbahn. Das wäre ein schönes Motiv, Schwalbe mit einer Dampflok. Ich fahre weiter bis zu einem
Bahnübergang, an dem es, wegen der Autos, etwas schwierig ist, Schwalbe in Position zu bringen. Ein paar hundert Meter weiter verlieren sich die Gleise im Wald,
um dann wieder auf der rechten Seite aufzutauchen. Und schon habe ich eine schöne Stelle gefunden. Jetzt brauch’ ich nur noch zu warten, bis der Zug angerollt
kommt. Nach einiger Zeit kommen mir aber doch Zweifel, ob die Lok hier überhaupt vorbeikommt. Nach dem Bahnübergang, bevor die Gleise im Wald verschwanden,
waren sie rechts der Straße. Wo ich jetzt stehe, sind sie aber links. Ich hätte ja die Gleise wieder kreuzen müssen. Ein paar Meter von meinem Standort ist eine
Bushaltestelle, an der eine Infotafel hängt. Dort ist auch grob der Bahnverlauf eingezeichnet. Eine Linie geht zum Brocken (die Brockenbahn) und eine bis nach
Nordhausen, an der ich jetzt stehe. Die Harzquerbahn, die aber viel weniger frequentiert wird. Es ist also viel wahrscheinlicher, das der Zug zum Brocken
hochfährt und hier nicht vorbeikommt.
Ich schmeiße den Schwalbenmotor an, um weiter durch den Harz zu fahren. Kurz hinter Braunlage mache ich aber den Schwenk wieder zurück nach Wernigerode.
Vielleicht bei dem sonnigen Wetter noch ein paar Aufnahmen von der Altstadt machen, die sehr schön sein soll. Mitten im Wald muss ich Schwalbe auf Reserve
stellen. Wir fahren noch einige Kilometer bis zur Abzweigung nach Schierke. Nach zwei Kilometer beginnt der Ort, wo von einer Tankstelle nichts zu sehen ist. Bevor
ich mich hier dusselig fahre, frage ich lieber jemanden.
„Nein, hier gibt es keine Tankstelle, nur in Braunlage oder Wernigerode“.
Braunlage ca. 10 Kilometer, Wernigerode ca. 14 Kilometer. Nach Braunlage fast nur bergauf, nach Wernigerode fast nur bergab. Ich entscheide mich für bergab, und
somit für Wernigerode. Was auch richtig ist, denn lange Streckenabschnitte kann ich mit gezogener Kupplung im Leerlauf rollen. Immerhin sind diese Streckenabschnitte
so steil, das wir über 70 Km/h schnell werden.
Nach dem Tanken stelle ich Schwalbe in der Nähe der Altstadt ab. Wernigerodes Innenstadt gehört zu den schönen mittelalterlichen Fachwerkstädten, die
Deutschland zu bieten hat. Auch die modernen Bauten, zwischen dem Fachwerk, sind schön angepasst und fallen nicht unangenehm auf.
Das Abendessen war wieder hervorragend, wie auch der ganze Tag schön war. Nicht nur wettertechnisch. Im Gegensatz zu gestern, wo ich doch schwer mit den
Pollen zu kämpfen hatte, geht es mir heute klasse. Gestern Nachmittag war ich doch durch die Pollengeschichte richtig erschöpft, und konnte mir überhaupt nicht
vorstellen, wie ich so die 400 Kilometer nach Hause schaffen kann. Aber heute bin ich wieder gut drauf, und freue mich quasi schon auf Übermorgen, auf die lange
Tour, die vor mir liegt. Aber noch habe ich morgen einen Tag vor mir, den ich nutzen möchte.
Die Karte
Die Links
Tag 21
Sonntag, den 25. Mai 2008
Schwalbe bleibt unten
Die Idee, das ich ein Photo am Bahnhof Westerntor in Wernigerode, mit Schwalbe und Dampflok, machen könnte, verwirklicht sich leider nicht. Bin extra zeitig dort
angekommen. Also warte ich jetzt die Zeit ab, bis die Brockenbahn mich und die anderen Fahrgäste zum höchsten Gipfel des Harzes bringt.
Der Zug fährt in den Bahnhof
Wernigerode Westerntor ein
In rund 1,5 Stunden bringt mich der Zug, mit verschiedenen Stopps, auf den Brocken. Lange Zeit stehe ich auf der Außenplattform des Personenwagens, um mir
den Geruch der Dampfmaschine um die Nase wehen zu lassen. Leider verschlechtert sich mit jedem Höhenmeter das Wetter. Geplant hatte ich, vom Gipfel
herunter bis „Drei Annen“ zu laufen, was mir aber durch den einsetzenden Regen vermiest wird. Also beschränke ich meine Wanderaktivität auf den Gipfel. Einmal um
das ehemalige Sperrgebiet der Russen, die in den Jahren 1947 bis 1994 hier stationiert waren. Ab 1961 war der Brocken Sperrgebiet, und der Tourismus kam
komplett zum Erliegen.
Mit Dampf geht es
auf den Brocken
Das Wetter treibt mich dann noch in das Brockenmuseum, der ehemaligen Abhörstation Urian. Das Museum beschäftigt sich nicht nur mit der Flora und Fauna
des Berges, auch die DDR, bzw. die Wendezeit, wird beleuchtet. Auch die Versuche als Vorkriegsfernsehsendestation sind ein Thema im Brockenmuseum. Leider
vereitelt der Regen immer noch einen Abstieg zu Fuß. Also kaufe ich eine Rückfahrkarte, und vertreibe mir die Zeit mit einem Teller Erbsensuppe.
Die Abhörstation Urian,
heute das Brockemuseum
Rangieren auf dem Brocken
Abends in der Gaststube lasse ich mir das Essen wieder gut schmecken. Jetzt, am letzten Abend, versuche ich noch den Rest meines Romans (mittlerweile lese ich
„Das Parfüm“ von Patrick Süskind) zu lesen. Am gegenüberliegenden Tisch fängt ein Gast mit mir ein Gespräch an. Auch er kann nicht so ganz verstehen, das man mit
einer Schwalbe auf eine solch lange Tour geht. Findet es eher mutig, und wünscht mir für meine morgige Rückfahrt viel Glück.
Die Karte
Der Link
Tag 22
Montag, den 26. Mai 2008
Der lange Heimflug
Ein langer Weg, der heute vor mir liegt - berechnete 400 Kilometer bis nach Mönchengladbach. Vor dem Frühstück habe ich Schwalbe beladen, um zügig auf
die Straße zu kommen, die uns jetzt wieder ärgern will. Kurz hinter Bad Grund, der Harz verabschiedet sich gerade, dürfen wir nicht auf die B 243 einbiegen. Ein nur für
Kraftfahrzeuge-Schild versperrt die Weiterfahrt. Ich versuche es über eine Landstraße, merke aber schon bald, das die Richtung nicht stimmt. Ich krame den
PDA hervor, um zu sehen, wie ich wieder meine Generalrichtung „Westen“ einnehmen kann. Auf dieser Reise habe ich ja vollständig auf Papierkarten
verzichtet, was mir bisher auch keine Probleme bereitet hat. Auch jetzt kann ich mittels der elektronischen Karte wieder den richtigen Weg finden, wenn auch nur mit
einem Umweg.
Schwalbe bringt
mich wieder heim
Die B 64 soll mich eigentlich bis Paderborn bringen, aber kurz vor Brakel ist es wieder mal so weit, ich muss die Bundesstraße verlassen. Bis Bad Driburg führt
mich eine gut ausgeschilderte Landstraße, die normalerweise auch weitergeht bis Paderborn. Leider ist sie wegen Bauarbeiten gesperrt, und die Umleitung geht über
die B 64, die für mich immer noch tabu ist. Ich finde die Situation etwas vertrackt. Obwohl, man hat die Schilder „Kraftfahrzeugstraße“ ein wenig weggedreht, so das
man sie nicht unbedingt erkennen muss. Ich fahre weiter. Aber schon nach wenigen hundert Meter kommt eine Abfahrt von der Bundesstraße. Geradeaus stehen wieder
diese kleinen blauen Teufel, aber die Abfahrt ist ausgeschildert als Umleitung nach Paderborn. Ich folge natürlich der Umleitung, die sich nicht nur als Umleitung,
sondern auch als Umweg erweist. Locker 15 Kilometer Umweg, bis ich wieder die B 64 nach Paderborn erreiche. In der Zwischenzeit ist natürlich auch der Tank wieder
mal leer. Aber die Reserve reicht bis zur nächsten Tankstelle.
Zum ersten Mal auf dieser Reise fängt es an zu nieseln, und ich habe meine Regenhose angezogen. Zum Glück hält sich der Regen aber in Grenzen. Nach
etwas über zehn Stunden Fahrzeit, die Schwalbe ohne Murren durchhält, komme ich in Mönchengladbach an. Eine schöne Reise hat ihr Ende gefunden.
Die Karte