Heimbach Kraftwerk
Es kommt nicht oft vor, aber es kommt vor, das ich am Samstag mal Zeit für eine
Tour habe. Heute, am 18.8.2007 kann ich mich auf Schwalbe setzen und losfliegen,
und zwar liegt mein Ziel in der Eifel. Wieder kommt meine Vorliebe zu technischen
zum Vorschein. Ich möchte zum RWE-Kraftwerk nach Heimbach.
Um 9:30 geht es los, aber nicht aufs Land, sondern erst mal in die Innenstadt von
Rheydt zum örtlichen Polo-Händler. Immer wenn ich unterwegs bin, beschleicht
mich das ungute Gefühl für eine Reifenpanne nichts mitzuhaben. Also kaufe ich eine
Dose Reifenpilot, die mir im Falle eines Plattfusses helfen soll den Reifen wieder
prall zu bekommen. Obwohl ich nicht überzeugt bin, das es wirklich funktioniert.
Aber jetzt geht es wirklich los. Raus aus Mönchengladbach. Die Strecke an
Grevenbroich und dem Kraftwerk Frimmersdorf vorbei hat für mich fast
Autobahnähnlichen Charakter. Die Straße hat einen Seitenstreifen auf dem ich
unbehelligt meine 60 Km/h fahren kann.
Die Burg in Nideggen.
Das Auto gefällt mir nicht ins Bild
Nur kurz fahre ich über die vielbefahrene B477, um mich wieder auf den kleinen
Nebenstraße zu schlagen. Kurz durch Düren fahre ich weiter bis Nideggen, wo ich
meine ersten Photos machen möchte. Ich fahre hoch bis zur Burg, komme aber
Fototechnisch nicht richtig zum Zuge. Schnell sitze ich wieder auf Schwalbe, um
über eine Serpentinenartige Strecke zum Rurtal hinunter zu fahren. Ich folge der Rur
bis Heimbach, wo ich mir als erstes eine Tankstelle suche. Bis zur Führung, die
Samstags um 14:00 Uhr stattfindet, habe ich noch etwa zwei Stunden. In einem
Biergarten an der Rur kann ich meinen knurrenden Magen mit einem Grillteller
beruhigen, und mir die Zeit vertreiben.
Das Kraftwerk, ein vom Jugendstil
geprägtes Gebäude. Es gilt als
schönstes RWE Kraftwerk
Immer noch etwas früh suche ich mir den Weg zum Kraftwerk Heimbach. Da noch
keine Besucher vor dem Tor stehen, kann ich in aller Ruhe Photos machen.
Schwalbe binde ich danach an dem Pfahl einer Infotafel fest. Langsam kommen
auch die nächsten Besucher. Viele mit dem Fahrrad, einige mit dem Auto, und eine
Feucht-fröhliche Truppe mit einem Planwagen, der von einem Trecker gezogen wird.
Dann kommt ein Bus die kleine Zufahrtsstraße herunter, der zum PKW-Parkplatz
abbiegt. Zum einen holt der Fahrer nicht genug aus, zum anderen steht Schwalbe
im Weg, obwohl sie nicht auf der Straße steht, sondern neben dem Infoschild auf
Schotter. Ich brauche einige Sekunden, bis ich begreife das der Bus wegen
Schwalbe in der Kurve stehen bleibt. Mit einem freundlichen Helfer hebe ich sie
etwas herum, damit der Bus weiterfahren kann.
„Ich weiß gar nicht was der hier will, das ist keine Bushaltestelle, außerdem haben
sie ihr Moped gar nicht auf der Straße geparkt.“
Erzählt mir der freundliche Helfer.
Die Rur, bzw. das Staubecken Heimbach
ist ein gern genutztes Freizeitgewässer
Kurz vor 14:00 Uhr, es haben sich schon eine Menge Leute angesammelt, kommt
eine junge Frau und schließt das Tor auf. Sie ist wohl ein wenig erstaunt über die
vielen Besucher und verschwindet mit einem gemurmelten,
„Ich muss mal telefonieren“
in einem Nebengebäude. Kurz danach erklärt sie uns, das die Gruppe, aus
abgezählten 40 Personen geteilt wird, denn eine Kollegin sei unterwegs. Es teilt sich
eine Gruppe von etwa 20 Personen ab, die der jungen Frau in das Kraftwerk folgen.
Ich bleibe mit den anderen noch draußen, um auf die andere Dame zu warten. Die
Truppe; und vor allem der Anführer aus dem feucht-fröhlichen Planwagen; fangen an
rumzustänkern. Spielen am Notaustaster des Außentores rum. Ihnen ist der
Alkoholkonsum deutlich anzumerken. Ein wenig später kommt ein Auto die Straße
herunter, mit der nächsten Dame, die uns durch das Kraftwerk führen soll. Kaum aus
dem Auto, fängt der Anführer der Planwagentruppe mit ihr das Stänkern an. Sie
hätten ein Führung, nur für ihre Gruppe gebucht, jetzt müssten sie mit allen
zusammen, und auch noch viel später eine Führung mitmachen. Doch die Frau
bleibt ganz ruhig, und fragt:
„Wann und wie haben sie denn die Führung gebucht.“
„Wir haben am Mittwoch angerufen, dabei ist uns bestätigt worden, das wir heute
eine Führung bekommen.“
Die Antwort ist verblüffend.
„Ich bin die Leiterin der Presseabteilung von RWE Heimbach, und mir ist von einer
Gruppenanmeldung für heute nichts bekannt, außerdem können Gruppenführungen
nur schriftlich, und mindestens eine Woche vorher beantragt werden. Dann hätten
sie einen Termin vor oder nach 14:00 Uhr bekommen, aber nicht mit den öffentlichen
Führungen. Aber wir können jetzt noch weiter diskutieren, oder wir gehen los, und
fangen an.“
Der Rädelsführer ist ruhig und trottet der Gruppe hinterher.
Waschen mit Miele. Schon meine
Oma hatte so eine Holzwaschmaschine
im Keller
Zuerst geht es in ein Elektrogeräte Museum. Dort stehen allerhand alte und zum
Teil auch skurrile Elektrogeräte herum. Sei es eine Waschmaschine bzw. eine
sogenannte Holzbottichwaschmaschine, die ich noch aus dem Keller meiner Oma
kenne. Oder ein alter Elektroherd, der noch die Form eines Kohleherds hat. Aber
auch Höhensonnen, zum Bräunen aus den Frühtagen der Strahlentechnologie.
Heute ist wohl jedes Röntgengerät weniger gefährlich, als diese, privat benutzten,
Bräunungsgeräte. 1929 initiierte RWE die Ausstellung „Technik im Heim“ in der, der
Einsatz der Elektrizität in allen Bereichen des Haushalts dargestellt wurde. Ebenso
wurde mit der Einführung der Ratenzahlung dem potenziellen Kunden der Einstieg
ins Elektrozeitalter schmackhaft gemacht.
Kochen anno 1940. Zwei Platten und der
Backofen sind elektrisch. Die rechte Seite
wird noch mit Holz und Kohle beheizt
Es geht weiter in den Schalterraum, des am 8. August 1905 in Betrieb gegangenen
Kraftwerks. Es versorgte, über ein 400 Kilometer langes Freileitungsnetz, den
Regierungsbezirk Aachen. Dabei muss man sich aber vorstellen, das damals die
Kilowattstunden etwa 50 bis 60 Pfennig kostet. Der Tagesverdienst eines Arbeiter im
Kraftwerk lag bei 4 Mark. Strom leisteten sich nur die Reichen und die Industrie.
Die Schalter des Kraftwerks. Der Drahtkäfig
(Faradayscher Käfig) schützte die
Arbeiter vor Stromüberschlag
Die rasch fortschreitende Industrialisierung und der stark steigende Strombedarf
sorgten aber schon bald dafür, dass das Kraftwerk Heimbach diese Aufgabe nicht
mehr alleine bewältigen konnte und nun im Verbund mit anderen Kraftwerken lief.
Während ich noch die Informationen in mein Büchlein schreibe, bin ich schon in den
Hauptsaal, mit der Schalttafel und den Turbinen geraten.
Die Schalttafel ist ein Traum, die Anzeigeinstrumente aus Messing, die Wand aus
Marmor mit schönem Mahagoni Holz verziert. Oben auf dem Podest der Schalttafel
durfte nur der Obermaschinenführer stehen. Er war vornehm, mit schwarzem Anzug,
weißem Kragen und Manschetten, gekleidet. Seine Maschinisten, unten im
Turbinenraum, durften nur auf seinen Befehl zu ihm auf die Empore. Seine
Anweisungen gab er, der Lautstärke wegen, mittels Hand, und Lichtzeichen. Die
Schalttafel war noch bis 1974 in Betrieb.
Die Schalttafel aus Marmor und Mahagoni.
Die „Striche“ zwischen den Anzeigen im
Feld IIa sind aus Kupfer, und während des
Betriebes unter Spannung
Dort oben stand der Obermaschinenführer,
und gab seine Anweisungen
Im Ursprung hatte das Kraftwerk acht Turbinen, von denen noch 2 zu
Schauzwecken erhalten sind. Da dies aber nicht nur ein Museumskraftwerk ist,
sondern ein intaktes sind noch zwei neue Turbinen, von denen eine gerade in
Reparatur ist, in Betrieb. Die Turbinen; die alten, wie auch die neuen; sind von
Escher Wyss Zürich. Bei mir macht es natürlich sofort klick, denn später hieß die
Firma Sulzer Escher Wyss, und Sulzer Infra, nach dem Verkauf an Suez umbenannt
in Axima, ist mein Arbeitgeber. Auch die Turbinen waren bis 1974 in Betrieb.
Sulzer Escher Wyss kam unter anderem in Probleme weil die produzierten
Maschinen zu haltbar waren und nicht ersetzt werden brauchten.
Bei 500 Touren ist Schluss. Der Originale
Drehzahlmesser der Esche Wyss Turbine
Eine Wassermenge von insgesamt 16 Kubikmeter je Sekunde durchströmte die
acht Escher Wyss Turbinen. Die Kraft der Turbinen wurde mit Seilkupplungen auf
die Generatoren übertragen. Die 90 Meter langen Hanfseile musste alle drei Jahre
ausgewechselt werden. Die Zeit des 2. Weltkrieges hat das Kraftwerk Heimbach
relativ unbeschadet überstanden. Allerdings sprengte die deutsche Wehrmacht am
11. Februar 1945 die Stollenverschlüsse auf der Kraftwerksseite, um so den
Durchbruch der Alliierten zum Rhein zu verhindern. Infolgedessen lief die
Urfttalsperre komplett leer und das Kraftwerk wurde von den Wasser- und
Geröllmassen überflutet. Nach umfangreichen und beschwerlichen Aufräum- und
Reparaturarbeiten – sowohl Arbeitskräfte wie auch Werkzeuge waren Mangelware -
konnten im Januar 1948 die ersten vier Maschinen wieder anlaufen, die übrigen vier
Maschinen folgten Ende des Jahres.
Eine Generatoreinheit, mit Turbine,
Kupplung, Generator, und den Regler
in der rechten Bildhälfte
1975 hatten die acht alten Turbinen und Generatoren ausgedient, sie wurden durch
zwei neue Maschinen mit deutlich höherer Leistung ersetzt. Die beiden neuen
Maschinen haben heute zusammen eine Leistung von 16.000 Kilowatt und nutzen
18 Kubikmeter Wasser je Sekunde. Das Kraftwerk Heimbach, erzeugt heute im Jahr
rund 25 Millionen Kilowattstunden elektrische Energie, genug um rund 7.800
Haushalte zu versorgen.
Die „neue“ Turbine mit ihrem Schaltschrank
im Hintergrund. Beides auch schon über 30 Jahre alt
Noch mal ein Blick zur alten Schaltzentrale.
Die Fenster unterhalb der Empore in der
Form einer Glühlampe
Nach dem Rundgang durch das Wasserkraftwerk setze ich meine Fahrt, mit einem
kleinen Abstecher zur Rurtalsperre fort. Von Heimbach führt eine Kurvenreiche
Strecke hoch zur Talsperre. Schwalbe muss sich mit voller Kraft die Straße hinauf
quälen. Der See wird bei diesem schönen Wetter intensiv von Segler genutzt. Groß
genug ist er ja. Ich halte mich aber nicht lange auf, denn mit läuft, durch den
verspäteten Beginn der Kraftwerksführung, die Zeit ein wenig weg. Schwalbe kommt
beim hinunter fahren der Straße nach Heimbach in ungeahnte
Geschwindigkeitsbereiche, aber nur bis es links ab nach Schmidt geht.
Der Rurstausee. Deutschlands
zweitgrößter Stausee
Schwalbe vor dem Staubecken Heimbach
Noch ein paar Bilder
Die Karte
Die Links
Die Koordinaten
Kraftwerk Heimbach
N 50° 37’ 47.5’’
O 6° 27’ 12.1’’