Engelskirchen
Wieder habe ich eine längere Tour vor. Geplant sind so um die 200 Kilometer, zum
Rheinischen Industriemuseum, in der ehemaligen Baumwollspinnerei Ermen &
Engels, das in Engelskirchen liegt.
Engelskirchen wiederum ist ein 20.000 Einwohner Ort im Oberbergischen Kreis.
Auf der Fahrt kann sich Schwalbe mal als Bergsteigerin bewähren. Immerhin wurde
sie ja im Thüringerwald gebaut, und so dürften ihr Berge nicht unbekannt sein.
Früh morgens; ich möchte ja am Nachmittag wieder zurück sein, fahre ich los.
Zügig geht es Richtung Neuss, und von dort auf der Bundesstraße 9 nach Köln.
Kurz am Rhein angehalten. Die Tankanlagen
von Bayer in Dormagen im Hintergrund
Zuerst versuche ich Schwalbe auf die Domplatte zu bekommen, was aber trotz der
frühen Stunde nicht gelingt. Es sind mir einfach zu viele Menschen dort unterwegs.
Also werden nur ein paar Photos aus der Entfernung aufgenommen.
Bei meiner Planung dieser Ausfahrt habe ich mit Absicht die Deutzer Brücke
ausgewählt, in der Hoffnung, das ich dort ohne Schwierigkeiten über den Rhein
komme. Ich denke einfach, das die anderen Brücken nur für Kraftfahrzeuge
zugelassen sind, und damit für Schwalbe tabu. Doch schon vor der Brückenauffahrt
stehen Umleitungsschilder. Die Brücke ist heute, am 8. Juli 2007 wegen dem
Cristopher-Street-Day gesperrt. Ich drehe ab, fahre die Rheinuferstraße entlang, bis
zur Auffahrt der Zoobrücke.
Aber viel weiter komme ich nicht, denn die Brücke wird von einem „Nur für
Kraftfahrzeuge“ Schild bewacht. Ich weiche auf den Fahrradweg, der kaum befahren
ist, aus. Wenn ich mich recht erinnere, endet die Brücke auf der A3 bzw. auf der A4,
was ich aber überhaupt nicht gebrauchen kann.
Unbehelligt komme ich am anderen Rheinufer an, um dann erst mal stehen zu
bleiben, damit ich die Lage abchecken kann. Der Fahrradweg geht zum einen
geradeaus, aber auch links, in einer großen gebogenen Abfahrt, hinunter in einem
Park. Meine Richtung die ich einhalten möchte wäre jedenfalls links, Rheinaufwärts,
um wieder in die nähe der Deutzer Brücke zu gelangen. Allerdings stört mich die
Parklandschaft die unter mir liegt. Unentschlossen was zu machen ist, kommt ein
älterer Herr auf dem Rennrad daher, den ich kurzerhand anhalte.
„Guten Morgen, ich muss zur Deutzer Brücke, wie komme ich da am bester hin.“
„Dat is kee Problem Jung, fahr doch einfach hä herunger, dann emmer am Ring
lang, bisse an der Brück bös.“
“„Aber da unten sieht so nach einem Park aus, kann ich da mit dem Moped
langfahren.“
„Jo klor, do sät kinner wat, fahr ruhich do längs.“
Der freundliche Mann fährt winkend weiter, und lässt mich grübelnd zurück. Ich
stelle Schwalbe wieder auf beide Räder, und rolle, ohne den Motor zu starten die
Abfahrt hinunter, und lande mitten in einem Park. Hier in dieser Oase der Ruhe kann
ich nie und nimmer das Schwalbemaschinchen starten. Die Spaziergänger würden
mich lynchen.
Ich erkläre einem Paar meine Situation, und bekomme den Rat, einen Weg zu
folgen, der zum Betriebshof des Parks führt, und von dort könne ich ruhig fahren.
Zum Glück ist Schwalbe nicht schwer, und der Hof schnell erreicht. Ich war mitten im
Rheinpark.
Dank dem GPS komme ich schnell wieder auf meinen geplanten Weg, zum
Bergischen Land. Zuerst noch durch die Außenbezirke von Köln, dann aber immer
ländlicher. Auch das Gelände ändert sich. Langsam fangen die Steigungen an, die
Schwalbe souverän erklimmt
An einer Steigung hinter dem Ort Steinbrücken, etwa fünf Kilometer vor Overath
passiert es dann. Schwalbe geht aus, was aber mehr oder weniger normal ist, da
der Sprit wohl zu ende geht. Ich stelle den Benzinhahn auf Reserve, und hoffe das
die Ausrollstrecke reicht, damit der Motor wieder seinen Lebenswichtigen Saft
bekommt. Leider ist die Steigung zu stark, und ich muss anhalten. Aber auch durch
ankicken lässt sich Schwalbe nicht überreden wieder anzuspringen. Ich nehme die
Motorabdeckung ab, und sehe das der Benzinfilter völlig braun ist. Schnell schraube
ich den Vergaser an den zwei sechser Muttern ab, und blase die Düsen so gut es
geht durch. Den Vergaser wieder angeschraubt, den Benzinschlauch, aus dem
Benzin läuft, aufgesteckt, und schon springt Schwalbe wieder an. Ich drehe und
fahre zurück nach Steinbrücken, wo ich vorhin eine Tankstelle gesehen habe. Aber
Schwalbe läuft nicht richtig. Standgas, und Vollgas sind in Ordnung, nur dazwischen
ist sie sehr unwillig, springt aber nach dem Tanken wieder an, so das ich meine
Fahrt nach Engelskirchen weiter fortsetzen kann. So wie sie jetzt läuft, kann ich mir
überhaupt nicht vorstellen, das ich wieder zurück nach Mönchengladbach komme.
Das wird wohl das erste mal, das ich den ADAC bemühen muss.
Im Museum bin ich der einzigste Besucher, und kann mich Phototechnisch frei
entfalten. Der Wuppertaler Unternehmer Friedrich Engels gründete Mitte des 19.
Jahrhundert, mit seinem Geschäftspartner Peter Ermen die Baumwollspinnerei
Ermen & Engels. Für sich baute er die Villa, für die Arbeiter die Kirche. Die
Namensgleichheit mit dem Co-Autor des Kommunistischen Manifests ist kein Zufall.
Der Firmengründer war der Vater des berühmten Sozialisten.
Um 1900 entstand in der Fabrik eines der ersten Elektrizitätswerke der Region. Die
großen Turbinen, zu sehen sind die letzten in Betrieb gewesenen von 1907,
wandelten die Kraft des Flüsschens Agger in Strom um.
Die Schalttafel war die Steuerzentrale des Kraftwerks. Hier arbeitete auch der
Mann, der über die Turbinen wachte. Das Kraftwerk versorgte nicht nur die Fabrik
mit Energie, auch die Villa des Eigentümers und in den Anfangszeiten den Ort
Engelskirchen. Aber schon 1924 reichte die Versorgung nicht mehr aus, und es
wurde zusätzlich Energie aus einem öffentlichen Kraftwerk bezogen.
Die Voltmeter für die drei Phasen.
Die Lampe wurde zum Synchronisieren
Spannungen vom Hausnetz und des
öffentlichen Netzes benutzt
Die Schalttafel stand von 1958 bis 2000 im Maschinenlabor des Heinrich-Hertz-
Berufskolleg in Düsseldorf. Im Rahmen eines Projekts haben Auszubildende der
Firma Siemens die Anlage in Düsseldorf abgebaut und im Museum wieder installiert.
Jeder Arbeitstag in der Fabrik Ermen & Engels begann damit, das der
Turbinenwart das große Handrad am Regler betätigte. Damit öffnete er die
Leitklappen der Turbine. Es floss Wasser in die Turbinenräder, und Strom wurde
erzeugt. Einmal eingestellt steuerte der Regler die Wasserzufuhr automatisch. Je
nach Wasserstand und Stromverbrauch öffnete oder schloss er die Leitklappen. Ziel
war der gleichmäßige Lauf der Turbinen.
Die Turbine. Dieser Raum war während des Betriebes mit Wasser geflutet
(deswegen das blaue Licht). Links und Rechts kann man die Klappen erkennen, die
vom Regler geöffnet, oder geschlossen wurden, um einen gleichmäßigen Lauf zu
erreichen.
Die Welle der Turbine treibt dieses
Transmissionsrad an
Mit einem Lederriemen geht die Kraft
weiter auf den Strom erzeugenden Generator
Eine Dampfmaschine aus der
Vorzeit der Elektrizität
Weiterhin ist im Museum der Werdegang der Baumwollspinnerei, und deren
Arbeitsbedingungen dargestellt. Diese waren hart. Aus einem Brief des Pfarrers
Fischer aus Lindlar von 1852 geht hervor das
„zwölf Stunden täglich, an den Samstagen aber sogar fünfzehn Stunden gearbeitet
wird“.
Nicht umsonst hat Friedrich Engels den Ort Engelskirchen ausgesucht. Er vermutet
hier billigen Arbeitskräfte:
„Das Dorf Engelskirchen enthält mehrere hundert Einwohner, und die Umgegend
ist ziemlich angebaut, so dass es nicht an Händen fehlt. Der Schulbezirk zählt allein
147 schulpflichtige Kinder von 6 bis 13 Jahren. Die Bewohner sind sehr arm und
sehen mit Sehnsucht einer neuen Nahrungsquelle entgegen“
schrieb er an seinen Geschäftspartner Ermen.
„Kinder wird man verhältnismäßig weit billiger, wie bei uns haben können“,
wie Engels voller Begeisterung nach einer Erkundungsreise 1837 an Ermen schrieb.
„Ich muss gestehen, dass ich selten eine Stelle gesehen habe, die alles so in sich
vereinigt, was von einer in jeder Beziehung zweckmäßigen Fabrikanlage verlangt
wird.“
1979 wurde Ermel & Engels geschlossen. Würde Friedrich Engels senior heute
Textilien produzieren, er ginge wohl nach Indien oder Südkorea. Wegen der billigen
Arbeitskräfte, versteht sich.
Nachdem ich wieder neben Schwalbe stehe, habe ich wenig Hoffnung das ich
wieder auf zwei Räder nach Hause komme. Aber sie verblüfft mich immer wieder,
auf den ersten Kick springt sie an, und läuft auch ruhig im Standgas weiter. Einzig
Halbgas (also zwischen Stand- und Vollgas, oder wie immer man das ausdrückt) will
sie nicht so recht haben.
Frikadellenpause im
Bergischen
Aber bei den Steigungen, die Schwalbe souverän nimmt, brauche ich sowieso nur
Vollgas, und das im 3. und 2. Gang
Schöne Straßen im Bergischen Land habe ich mir ausgesucht. Jetzt fehlt nur noch
eine Dampflok auf der Brücke, und der Kitsch wäre perfekt
Zwar keine Dampflok, aber immerhin eine BMW GS kommt vorbei. Dabei habe ich
bei jedem Photostop Angst das Schwalbe nicht mehr anspringen will. Aber ich kann
nicht meckern, auf dem ersten Kick läuft ihr Motörchen.
Immer wieder schön zu sehen.
Gelb und Blau. Da musste ich
einfach anhalten
Um über den Rhein zu kommen möchte ich nicht, wie heute morgen eine Brücke
benutzen, sondern mit der Fähre von Baumberg nach Zons fahren. Aber schon
einige Hundert Meter vor der Fährrampe stehen Autos auf der Straße. Erst denke
ich, es würde jemand weiter vorne einparken, bis ich dahinter komme, das die schon
für die Fähre anstehen. Ich mische mich unter die Radfahrer, die sich dann aber auf
der linken Seite der Straße in einer Reihe anstellen. Das ist mir auch zu dumm, und
nehme die freie Mitte um bis an den Fähranleger vorzufahren.
Noch vierzig Kilometer bis nach Hause, wo ich Schwalbe in nächster Zeit ein wenig
Aufmerksamkeit widmen muss, damit sie wieder rund läuft.
Die Karte
Die Koordinaten
Der Link
N 50° 59’ 0.3’’
O 7° 24’ 33-4’’